Fast absurd klingt die Vorstellung, ein 20-Jähriger müsste seinen Vater um Erlaubnis bitten, nach Mitternacht noch das Haus zu verlassen. Doch bis 1975 war dies das "Schicksal" der jungen Erwachsenen. Ein Gesetz aus dem Jahr 1875 legte das Alter der Volljährigkeit auf 21 Jahre fest. Für 2,5 Millionen Bundesbürger im Alter zwischen 18 und 21 Jahren war es also ein aufregender Tag, als der Deutsche Bundestag am 22. März 1974 ein Gesetz verabschiedete, dass die Volljährigkeitsgrenze auf das 18. Lebensjahr senkte. Zwischen den Parteien herrschte bei der Abstimmung große Einigkeit. Schließlich hatte das Alter von Wehr- und Wahlfähigkeit bereits vorher bei 18 Jahren gelegen. Und wer in diesem Alter unter Umständen sein Leben aufs Spiel setzen und bei Wahlen die Politik des Landes mitbestimmten soll, der müsse auch selbstständig entscheiden können, bei seinen Eltern auszuziehen oder einen Kaufvertrag zu unterschreiben.
Bundesjustizminister Gerhard Jahn (SPD) verwies in der Debatte auf die große Bedeutung des Gesetzes für die rechtliche, wirtschaftliche und politische Integration junger Menschen in die Gesellschaft. Scharfen Widerspruch äußerten einige konservative Politiker, war es doch erst einige Jahre her, dass Studentenrevolten um sich gegriffen und junge Menschen das politische System und das Umgehen mit der Vergangenheit hinterfragt hatten. Nun die elterlichen Einflussmöglichkeiten einschränken? Das ging vielen Konservativen zu weit. Der ehemalige Justizminister Richard Jaeger (CSU) nannte das neue Gesetz "unlogisch und gefährlich". Verabschiedet wurde es dann trotzdem mit großer, parteiübergreifender Mehrheit.