parlamentsarbeit
Ein Blick in den Alltag einer Abgeordneten-Mitarbeiterin
Manchmal sind es Kleinigkeiten, die entscheidend sind für eine gute Zusammenarbeit im Europäischen Parlament in Brüssel: "Frau Breyer kommt aus dem Saarland, ich aus der Pfalz. Wir verstehen uns sogar, wenn wir Dialekt sprechen", sagt Anne Stauffer, die Assistentin der grünen Europa-Abgeordneten Hiltrud Breyer. Kommunikation ist besonders wichtig zwischen den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern. Denn ohne die Unterstützung durch meist zwei oder mehr Assistenten in ihren Brüsseler Büros könnten die meisten Abgeordneten kaum arbeiten. Sie halten den Volksvertretern den Rücken frei, beruhigen aufgebrachte Anrufer, beantworten E-Mails und bereiten oft auch die Änderungsanträge vor, die ihre Chefs im Plenum zur Abstimmung stellen. Anne Stauffer zählt ihre Arbeitsstunden lieber nicht. Eigentlich habe sie um 18 Uhr Feierabend, sagt sie. Aber "wenn es brennt - und es brennt oft -, dann schaut hier keiner auf die Uhr", erzählt die 33-Jährige, die seit vier Jahren für Hiltrud Breyer arbeitet.
Als "abwechslungsreich" und "super spannend" beschreibt sie ihren Job zwischen Brüssel, Straßburg und Berlin. Schließlich müsse sie Organisation und inhaltliche Arbeit miteinander verbinden. Nur selten verbringt sie einen ganzen Tag in ihrem Büro in der achten Etage des Altiero-Spinelli-Gebäudes. Meistens ist sie mit Aktenordnern und Dossiers im Haus unterwegs, spricht mit Kollegen von anderen Abgeordneten über mögliche Änderungsanträge oder nimmt an Ausschusssitzungen teil; Hiltrud Breyer sitzt im Frauen- und im Umweltausschuss.
"Ich komme aus der Frauenpolitik, habe vorher in Berlin für eine Frauenorganisation gearbeitet. Hier aber muss ich mich auch in Themen wie Gentechnik, Tierschutz und Umweltpolitik auskennen", sagt Stauffer und lächelt. Alles scheint ihr leicht von der Hand zu gehen. Doch dahinter steckt eine minutiöse Organisation. Auf dem Schreibtisch der Soziologin ist jedes Ablagefach genau beschriftet. "Man muss einen kühlen Kopf bewahren und schnell entscheiden, was wichtig ist und was nicht", beschreibt Anne Stauffer ihr Arbeitsgeheimnis. Rund 100 E-Mails bekommt die Assistentin jeden Tag - eine "Flut von Informationen", die schnell bearbeitet und einsortiert werden will. "Zum Glück", sagt sie, "muss ich nicht jedes Detail kennen. Wichtig zu wissen ist, wen ich anrufen kann."
Besonders freut sich Stauffer über die gemeinsamen Erfolge mit Hiltrud Breyer. Gerade erst haben es die beiden geschafft, eine neue EU-Richtlinie zum Verbot von gefährlichen Pestiziden durchzuboxen, trotz großen Drucks aus der Industrie. "Ich durfte an den Gesprächen mit den Vertretern der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten teilnehmen und alles hautnah erleben", erzählt sie.
Schon immer hat Anne Stauffer gerne über den Tellerrand geschaut, war nach dem Abitur für ein paar Monate in London und später während des Studiums in den Vereinigten Staaten: "Es ist nur konsequent, dass ich hier gelandet bin. In Brüssel habe ich begriffen, was für einen großen Einfluss die EU auf unser Leben inzwischen hat."
Auf die europäische Dimension will sie in ihrer Arbeit auch in Zukunft nicht verzichten. Noch will sie sich nicht festlegen, wie es beruflich bei ihr weiter gehen soll, aber Brüssel gefällt der Deutschen und überrascht sie nach wie vor: "Die Stadt ist nicht so einfach zu erkunden. Aber es gibt immer wieder schöne Entdeckungen. Erst kürzlich bin ich durch Zufall auf einen wunderschönen Park mit einer Orangerie gestoßen. Diese versteckten Kleinode machen den Charme von Brüssel aus."
Ruth Reichstein arbeitet als freie Journalistin in Brüssel.