Was ist eigentlich so schlimm an der Ostalgie? Es handelt sich doch um nichts anderes als um eine normale menschliche Verhaltensweise. Für die meisten verklärt sich im Verlauf der Jahre die Vergangenheit. Und in der Mehrheit geht es den Ostdeutschen bei dem Blick zurück vor allem um Erinnerungen aus ihrem ganz gewöhnlichen DDR-Alltag.
Das einzige, was in der alten Bundesrepublik Verwunderung hervorrufen könnte, wäre, dass die Ostdeutschen plötzlich beginnen, ein Leben zu glorifizieren, das sie 1989 so satt hatten und oft sogar Leib und Leben riskierten, nur um ihm zu entrinnen. Für diesen Vorwurf könnte man sogar Verständnis haben, aber diese etwas wehmütigen Erinnerungen an die DDR kommen selten denen in den Sinn, die ihr den Rücken gekehrt haben, sondern eher jenen, die zu Hause geblieben sind. Doch auch die Ostalgiker wollen mit Sicherheit die alte DDR nicht zurück.
Ostalgie ist ein Nach-Wende-Phänomen, das erst mit erheblicher Verzögerung aufkam. Erst als sich manche Blütenträume für die Ostdeutschen nicht erfüllten, schlug das Pendel in diese Richtung. Dass es dabei Übertreibungen gab, sollte niemanden beunruhigen. Sicher, T-Shirts mit SED-Emblem oder Honecker-Bild sorgen zu Recht für Kopfschütteln, aber schaden dem Zusammenwachsen von Ost und West genauso wenig wie der Adlershofer Sandmann oder das DDR-Kathi-Backmehl. Ostalgie gehört zur Geschichte der Wiedervereinigung genauso wie übertriebene Glorifizierung des Westens in den Anfangsjahren der Vereinigung. Und hätte es mehr Vereinigung als Beitritt gegeben, wäre den Ostdeutschen die untergegangene DDR wohl kaum noch in den Sinn gekommen. Insofern hat auch der Wessi seinen Anteil an der Ostalgie.