Öffentliche Anhörung des Familienausschusses
Der von den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD geplante Ausbau der Kindertagesbetreuung wird von Experten begrüßt. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montagnach, dem 23. Juni 2008, deutlich.
Der im Kinderförderungsgesetz ( 16/9299) ab 1. August 2013 vorgesehene Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, sei "richtig und wichtig" betonte unter anderem Doris Beneke vom Diakonischen Werk der EKD.
Strittig hingegen ist die vorgesehene finanzielle Gleichstellung von freien gemeinnützigen und privaten gewerblichen Trägern beim Ausbau der Kinderbetreuung, wozu DIE LINKE. ( 16/9305) und die FDP-Fraktion ( 16/8406) eigene Anträge vorgelegt hatten. Kritik gab es an dem Betreuungsgeld für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in einer Tageseinrichtung betreuen lassen wollen oder können. Gegen das Betreuungsgeld wendet sich auch ein ebenfalls diskutierter Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ( 16/7114).
Der Rechtsanspruch sei das "Herzstück" des Entwurfes, der in seiner jetzigen Form auch umgesetzt werden sollte, forderte Doris Beneke. Die anvisierte bundesweit durchschnittliche Betreuungsquote von 35 Prozent dürfe nur eine Orientierungsgröße sein, nicht zuletzt um einen Abbau von Angeboten im Osten zu verhindern.
Die hohe Bedeutung der frühkindlichen Betreuung betonte Antje Funke von der Bertelsmann-Stiftung. Sie forderte jedoch, den Rechtsanspruch näher zu spezifizieren. Beim Betreuungsgeld habe sie "große Bedenken". Internationale Erfahrungswerte hätten gezeigt, dass es insbesondere Kindern aus einem schwierigen soziokulturellen Umfeld den Zugang zu frühkindlicher Bildung verwehren würde und damit den Kindern, die ihn am dringendsten bräuchten.
Verena Göppert vom Deutschen Städtetag stellte fest, dass das Kinderförderungsgesetz deutlich über den im so genannten Krippengipfel im vergangenen Jahr erreichten Kompromiss hinausgehe, und gab zu Bedenken, dass die Änderungen mit deutlichen Mehrkosten für die Kommunen verbunden seien.
Für eine Gleichstellung der Träger der Kinderbetreuung sprach sich Gisela Erler von der pme-Familienservice-GmbH aus. Dies sei aus wettbewerbs- und vergaberechtlichen Gründen "zwingend geboten". Die in der Diskussion immer wieder geäußerten Vorbehalte hinsichtlich möglicher Qualitätsprobleme bei privatgewerblichen Anbietern seien im Wesentlichen das Ergebnis der bisherigen Benachteiligung bei der öffentlichen Förderung. Im Falle einer Gleichstellung sei keineswegs ein "Turbokapitalismus" bei der Kinderbetreuung zu befürchten, sagte Erler.
Auch Werner Schipmann vom Bundesverband privater Träger der freien Kinder,- Jugend und Sozialhilfe teilte die Bedenken über Qualitätsverluste durch private Anbieter nicht. Ein stärkerer Wettbewerb erhöhe seiner Ansicht nach eher die Qualität der Betreuung, da auch gemeinnützige Anbieter sich verbessern müssten.
Norbert Hocke von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft warnte hingegen vor der Gleichstellung. Man gebe somit "profitorientierten Unternehmen einen Blanko-Scheck für Gewinne". Norbert Struck vom Paritätischen Gesamtverband wandte sich ebenfalls gegen die Änderung. Es sollte wie bisher den Ländern überlassen bleiben, wie mit privaten Anbietern verfahren wird.
"Begeistert" darüber, dass mit dem Gesetz eine herkunftsunabhängige Entwicklung von Kindern ermöglicht werde, zeigte sich Professor Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut. Eine kriterienlose Vergabe des Betreuungsgeldes könne sich hingegen "fatal und kontraproduktiv" auswirken. Kindern, die in ökonomischer und damit oftmals einhergehender kultureller und sozialer Armut aufwüchsen, würde so die Chance vorenthalten, schon frühzeitig in ihrer Entwicklung zusätzlich gefördert zu werden. Besser wäre es, so Rauschenbach, die dafür veranschlagten 1,2 Milliarden Euro in die "Qualitätssteigerung bei der Betreuung zu stecken".