Öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses
Die privaten Krankenkassen wehren sich vehement gegen die neue
Möglichkeit für gesetzliche Krankenkassen, Wahltarife
anbieten zu können. Insbesondere die Tarife mit
Kostenerstattung stellten eine starke Wettbewerbsverzerrung dar,
betonte der Leiter des Wissenschaftlichen Instituts des Verbandes
der privaten Krankenversicherung (PKV), Christian
Weber, am Mittwoch in einer Anhörung des
Gesundheitsausschusses.
Der Anhörung lag ein Antrag der FDP-Fraktion (16/6794)
zugrunde, die die mit der Gesundheitsreform eingeräumte
Möglichkeit der Wahltarife mit Kostenerstattung streichen
will. Weber sagte, die gesetzlichen Kassen unterlägen bei der
Kalkulation der Tarife nicht wie die privaten Kassen der
Steuerpflicht und müssten auch keine Altersrückstellungen
aufbauen. Daher könnten sie für jüngere Mitglieder
sehr günstige Tarife anbieten. Dagegen begrüßten
die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen die mit der
Gesundheitsreform eingeführte neue Tarifmöglichkeit als
wirksames Instrument, um beispielsweise Mitglieder oberhalb der
Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) zu halten.
Bei Wahltarifen mit Kostenerstattung erhält der Versicherte
nach einer Behandlung wie ein Privatpatient eine Rechnung, die er
zunächst aus eigener Tasche bezahlt und anschließend bei
seiner Kasse einreicht. Dadurch kann sich der Versicherte unter
Umständen Zugang etwa zur Chefarztbehandlung oder den Anspruch
auf ein Zweibettzimmer im Krankenhaus sichern.
Zu dem Vorwurf der PKV, bei den Wahltarifen bestehe die Gefahr,
dass es zu Quersubventionierungen zwischen dem
Kostenerstattungstarif und dem Bereich der Pflichtversicherung
kommt, sagte der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg,
Wilfried Jacobs, diese seien ausgeschlossen.
Gesetzliche und aufsichtsrechtliche Vorgaben sowie die gesonderte
Buchung von Leistungsausgaben und Prämien verhinderten solche
nicht zulässigen Quersubventionierungen. Für die
Ersatzkassen ergänzte Ulrike Elsner, Leiterin der VdAK/AEV in
Sachsen, das Bundesversicherungsamt prüfe sehr genau, ob
Quersubventionierungen vorhanden seien.
Der Berliner Rechtswissenschaftler Prof. Hans-Peter Schwintowski warnte, bliebe es bei der Möglichkeit für die gesetzlichen Kassen, Zusatzversicherungen anzubieten, stünde das gesamte System der deutschen GKV auf dem Prüfstand des europäischen Rechts. Bisher sei der Europäische Gerichtshof der Auffassung, die deutsche GKV sei nicht wirtschaftlich, sondern ausschließlich sozial und hoheitlich tätig. Diese Auffassung werde aber nicht mehr zu halten sein, wenn die GKV allen ihren Versicherten private Zusatzversicherungen wie private Kassen anbiete. "Das gesamte System der deutschen GKV würde auf diese Weise ins Wanken und Rutschen geraten", hob Schwintowski hervor.