Parlament stritt über Leitlinien der Regierungspolitik
Über die Leitlinien der Regierungspolitik hat das Parlament in einer Grundsatzdebatte am Mittwoch, dem 26. November 2008, gestritten. Im Anschluss daran nahmen die Abgeordneten den Etat des Bundeskanzleramts in namentlicher Abstimmung mehrheitlich an. Danach stimmten sie dem Etat des Auswärtigen Amtes, des Verteidigungsministeriums und des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu.
Zunächst stand der Etat der Bundeskanzlerin und des
Bundeskanzleramts (1,79 Milliarden Euro) zur Diskussion. Angela
Merkel (CDU) sagte in ihrer Rede, es stehe ein Jahr schlechter
Nachrichten bevor. 2011 könne noch kein ausgeglichener
Haushalt erreicht werden, doch am Ziel der Konsolidierung in der
nächsten Legislaturperiode werde festgehalten.
Ergebnis der namentlichen
Abstimmung
Die Bundeskanzlerin appellierte an die Finanzinstitutionen, das Rettungspaket in Anspruch zu nehmen. Die Banken sollten nicht aus falschem Prestigedenken auf die staatliche Hilfe verzichten. Die Autobranche als Kernbranche müsse unterstützt, Investitionen müssten angekurbelt werden, etwa durch den Aufbau eines flächendeckenden Breitbandnetzes.
Die Koalition habe Deutschland nicht fit für die Krisenzeiten
gemacht, beanstandete Rainer Brüderle. Der FDP-Abgeordnete
warf Merkel vor, sie regiere das Land "in Zeitlupe“ und
forderte sofortige Steuersenkungen. Linksfraktionsvorsitzender
Oskar Lafontaine kritisierte "falsche Grund- und
Leitsätze“ der Regierung. Mit der Erbschaftsteuer
entlaste sie Milliardäre, durch ihre "Entstaatlichung“
erzeuge sie Armut.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck verteidigte das Vorgehen der Regierung. Die Menschen hätten gespürt, dass es neben "Bankautomat und Anlageberater“ noch eine weitere Vertrauensinstanz gebe: den Staat.
Renate Künast, Vorsitzende der Grünenfraktion, griff die Regierung scharf an. Sie befreie den Porsche Cayenne von der Kfz-Steuer, sei in der Krise aber handlungsunfähig. Ihr Haushalt sei von gestern, auch die Kindergelderhöhung von zehn Euro sei "keine große Armutsbekämpfung“, wie behauptet werde.
Nach der Abstimmung über den Kanzleramtsetat wählte der Bundestag Amtsinhaber Peter Schaar für weitere fünf Jahre zum Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Ergebnis der Wahl des Datenschutzbeauftragten
Die Etats des Auswärtigen Amts (2,93 Milliarden Euro) und der Ministerien für Verteidigung (31,09 Milliarden) sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (5,77 Milliarden) legte das Parlament anschließend fest.
„Inmitten dieser weltweiten Krise gibt es erste Anzeichen, dass wir vor einer Rennaisance Europas stehen“, betonte Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der Debatte um den Etat für das Auswärtige Amtes, der in zweiter Lesung angenommen wurde. In der Krise wachse die Welt zusammen.
Der Außenminister plädierte für die Schaffung von
600 neuen Partnerschulen im Ausland sowie für die Verbesserung
des Wissenschaftsstandortes Deutschland. 2009 werde ein Jahr der
Weichenstellungen. Das gelte insbesondere für Afghanistan, zu
dessen Stabilisierung das Nachbarland Pakistan einbezogen
werde.
Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Bundesregierung dafür, dass sie bei der „Kongofrage abgetaucht sei“. Zudem forderte er, eine einheitliche EU-Mission zur Sicherungs der Handelswege am Horn von Afrika zu schaffen. Werner Hoyer (FDP) hob hervor, dass „Nuklearwaffen in Zeiten des Kalten Krieges Teil der Problemlösung“ seien.
Für Eckart von Klaeden (CDU/CSU) steht die Lösung der
Iran-Nuklearkrise an erster Stelle. Auch die Stabilisierung des
Iraks, das Engagement in Afghanistan und eine aktive Rolle Europas
im Nahostkonflikt zählten zu den Herausforderungen des
nächsten Jahres, so von Klaeden.
Der Bundestag beschloss in zweiter Lesung auch den Etat des Verteidigungsministeriums, den zweitgrößten Einzelplan. Ihm sollen im kommenden Jahr 31,09 Milliarden Euro und damit 1,64 Milliarden Euro mehr als 2008 zur Verfügung stehen.
Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wies auf die
gestiegenen Herausforderungen bei den Auslandseinsätzen hin.
Er sei froh, dass schon 2006 entschieden wurde, nur mit
geschützten Fahrzeugen in Afghanistan zu fahren. Das habe die
Leben vieler Soldaten gerettet, so Jung. Für einen besseren
Schutz der Soldaten bedürfe es der notwendigen finanziellen
Mittel. Nur so könne die Bundeswehr „Frieden, Recht und
Freiheit“ gewährleisten.
Die Aufwendungen für Militäreinsätze stünden in
keinem Verhältnis zu den Geldmitteln, die für den zivilen
Wiederaufbau bereitgestellt werden, bemängelte Elke Hoff
(FDP). Die Bundeswehr solle in Afghanistan entlastet und regionale
Akteure in den politischen Prozess stärker einbezogen
werden.
„Bildung statt Rüstung“
Inge Höger (Die Linke) kritisierte eine "Verschleuderung von Steuergeldern“, etwa durch den Eurofighter und den Schützenpanzer Puma. Außerdem sei es "zynisch, weltweit Waffen zu verkaufen, und dann den Friedensengel zu spielen“. Sie forderte ein ausschließlich ziviles Engagement im Ausland, etwa durch "Bildung statt Rüstung“.
Johannes Kahrs, SPD-Abgeordneter und Oberstleutnant der Reserve,
entgegnete: Zivile Hilfe sei in vielen Ländern eben erst dann
möglich, wenn die Entwicklungshelfer durch das Militär
geschützt würden. Kahrs setzte sich eine weitere
Erhöhung der Wehrbesoldung und für Reformen der
Infrastruktur ein.
Zu den politischen Zukunftsfeldern zählt auch die Entwicklungszusammenarbeit, für die ebenfalls Mehrausgaben im Haushaltsplan vorgesehen sind. So soll das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 637 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr ausgeben können, insgesamt 5,77 Milliarden Euro.
Schwellenländer vor der Rezession
bewahren
Zum Etat des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sagte Hüseyin-Kenan Aydin (Die Linke), die „so genannte Erste Welt“ lebe auf Kosten der Entwicklungsländer. Er forderte eine finanzielle Stärkung der bilateralen Zusammenarbeit auf allen Feldern. Thilo Hoppe von den Grünen bezeichnete den Etat als „viel zu dünn“.
Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bezeichnete
die Gewalt gegen Frauen im Kongo als Verbrechen gegen die
Menschheit. Die internationale Gemeinschaft habe die Verpflichtung,
jene Gewaltverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof zur
Verantwortung zu ziehen. Außerdem unterstrich die Ministerin:
Es liege „in unserem ureigensten Interesse, dass die
Schwellenländer nicht tiefer in die Rezession geraten“,
denn sie seien die Wachstumsmotoren der Welt.