Untersuchungsausschuss vernahm jetzigen und früheren Präsidenten
Während des Irak-Kriegs im Frühjahr 2003 hat der Bundesnachrichtendienst (BND) keine Erkenntnisse aus Bagdad an das US-Hauptquartier in Katar geliefert, die unmittelbar der offensiven Kriegführung der USA hätten dienen können. Diese Überzeugung vertraten am 4. Dezember vor dem 1. Untersuchungsausschuss übereinstimmend Ernst Uhrlau, seinerzeit Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt und heute BND-Präsident, sowie August Hanning, damals Chef in Pullach und jetzt Innenstaatssekretär.
Die SPD sah sich durch diese Aussagen in ihrer Auffassung
bestätigt, die einstige Bundesregierung habe gemäß
ihrer politischen Linie nicht am Irak-Feldzug mitgewirkt. Die drei
Oppositionsfraktionen und auch die Union kritisierten hingegen, der
BND habe sich durch im
weiteren Sinne militärisch nutzbare Informationen wie auch
durch einzelne direkt kriegsrelevante Meldungen zumindest mittelbar
am Vorgehen der USA beteiligt.
Der Ausschuss prüft, ob der Geheimdiensteinsatz in Bagdad der
offiziellen Haltung der Regierung widersprach, Deutschland mache
beim Irak-Krieg nicht mit.
Laut Uhrlau wurde es im Kanzleramt auch ohne schriftliche Weisung "wie selbstverständlich“ diskutiert, dass die den USA übermittelten Informationen, die in Pullach unter den von zwei Agenten aus Bagdad gemeldeten Nachrichten ausgewählt wurden, keine taktisch-operative Unterstützung von Luftangriffen oder von Bodentruppeneinsätzen darstellen dürfen. Es sei Aufgabe des BND gewesen, dieser Richtlinie Rechnung zu tragen, so der Zeuge.
Es habe damals keine Hinweise gegeben, dass diese Vorgabe nicht
beachtet werde, weswegen er keine Kontrollmaßnahmen
angeordnet habe. Wie Hanning erklärte Uhrlau, die BND-Erkenntnisse seien in erster
Linie zur Erstellung militärischer Lagebilder für die
deutsche Regierung auf der Basis eigenständiger Recherchen
herangezogen worden.
Aus Sicht Hannings blieb der Informationsaustausch mit den
US-Diensten, der ein "Balanceakt“ gewesen sei, ebenso
"unterhalb der Kriegsschwelle“ wie etwa die Gewährung
von Überflugrechten für die USA oder die
Aufklärungsflüge der Bundeswehr über der
Türkei. Im BND,
so dessen Ex-Chef, sei den „entscheidenden Leuten“ klar
gewesen, dass „keine kriegsrelevanten Informationen“
nach Katar geschickt werden dürfen.
Im Einzelnen kontrolliert hat dies Hanning nach seinen Worten nicht, dies sei Sache vor allem des mit dieser Aufgabe betrauten Verantwortlichen auf der Fachebene gewesen. Der Zeuge räumte indes ein, vom seinerzeitigen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier die Zustimmung zur „heiklen“ Übermittlung präziser Daten von zivilen „non targets“ (nicht anzugreifenden Zielen) an die US-Armee eingeholt zu haben.
Hanning zu diesem kritischen Aspekt: „Wenn Sie sagen, dieses
Hotel darf nicht angegriffen werden, dann ist das keine gute
Nachricht für andere Hotels.“ Zu den vom BND nach Katar gemeldeten
Standorten eines Offiziersclubs in Bagdad und von Einheiten der
Republikanischen Garden Saddam Husseins sagte Hanning, die
militärische Bedeutung dieser Informationen könne er
nicht beurteilen.
Man komme „in schwierige Gewässer“, wenn eine
indirekte Kriegsbeteiligung in einem weiten Sinne definiert werde.
Entscheidend sei vielmehr, dass die BND-Erkenntnisse von den USA nicht
taktisch-operativ hätten genutzt werden können.
Aus Sicht von SPD-Obmann Michael Hartmann stützt die Zeugenvernehmung die These, dass im Irak aufgrund deutscher Meldungen „kein Schuss abgefeuert wurde und keine Bombe fiel.“ CDU/CDU-Obfrau Kristina Köhler bezweifelte jedoch, dass die im Wahlkampf 2002 bedeutsame Aussage des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder noch aufrechterhalten werden könne, die Bundesrepublik beteilige sich weder direkt noch indirekt am Irak-Krieg.
„Bei der früheren Regierung fielen Reden und Handeln
auseinander“, kritisierte der FDP-Abgeordnete Max Stadler,
Hannings Befragung belege eine mittelbare Mitwirkung am Krieg.
Norman Paech (Die Linke) erklärte, der BND habe nur wenige
„non targets“, hingegen viele für die USA
militärisch wichtige Erkenntnisse nach Katar
weitergeleitet.
Hans-Christian Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) monierte, in Pullach sei nicht ausreichend kontrolliert worden, ob die Weisungen zur Informationsübermittlung an die US-Armee auch beachtet wurden.