Abgeordnete und ihre Berufe: Der Firmenarzt Karl Addicks (FDP)
Damenschneiderin und Förster, Dolmetscherin und Winzer – die Abgeordneten im Deutschen Bundestag kommen aus ganz verschiedenen Berufen. Die am häufigsten vertretene Berufsgruppe bilden mit 23 Prozent die Juristen. Der Rest der insgesamt 612 Abgeordneten hat in 121 anderen Berufen und Berufungen Erfahrungen gesammelt. In unserer Serie "Wege in die Politik" stellen wir den Firmenarzt Karl Addicks (FDP) vor.
Es war dieses Gefühl der Unfreiheit. Wenn der FDP-Bundestagsabgeordnete Karl Addicks nach dem Schlüsselerlebnis für seinen Einstieg in die Politik befragt wird, erzählt er von den Geschehnissen im irakischen Basra im Jahre 1990, kurz nach dem Einmarsch Saddam Husseins in Kuwait.
Baustellenarzt in Basra
Addicks, der am letzten Tag des Jahres 1950 geborene promovierte Mediziner, arbeitete zu dieser Zeit als Baustellenarzt für die Firma Strabag am internationalen Zivilflughafen von Basra. "Der Aufmarsch der irakischen Truppen an der Grenze lief vor meinen Augen ab", erzählt der Arzt.
Drei Tage nach dem für ihn wenig überraschenden Einmarsch
wurde er wie alle anderen Ausländer im Irak praktisch in
Geiselhaft genommen. Ein prägendes Erlebnis, schließlich
wusste niemand, was passieren würde. "Die Freiheit kann man
nur richtig schätzen, wenn man sie einmal verloren hat. Und
ich hatte sie dort verloren." Für Addicks stand fest: Wenn ich
hier heil rauskomme, wird zu Hause politisch gearbeitet.
Er sollte seinen Vorsatz umsetzen – wenn auch erst ein paar Jahre später. Denn vorerst lockten weitere Großbaustellen in anderen Entwicklungsländern. Noch während Addicks nach der Rückkehr aus dem Irak in Hamburg sein Diplom in Tropenmedizin machte, erreichte ihn das Angebot der Baufirma Bilfinger und Berger, nach Nigeria zu gehen.
Addicks nahm an und verbrachte von 1991 bis 1995 vier Jahre in
Afrika. Sein Interesse an der Arbeit in Entwicklungsländern
begann übrigens mit einem Film über die Arbeit eines
französischen Arztes in einem Entwicklungshilfeprojekt in
Mali, den er während des Studiums sah. "Da wusste ich: Das
mache ich auch!"
In der Weiterbildungszeit nach dem Studium bereitete er sich gezielt darauf vor. Er wählte die vier Fachrichtungen, die notwendig waren, um "irgendwo allein zu sitzen": Chirurgie, Innere Medizin, Geburtshilfe und Notfallmedizin. Seinen ersten Firmenarzt-Posten erhielt er dann eher zufällig. Über Umwege erfuhr er von der Strabag-Baustelle in Basra und schrieb einen Brief an die Konzernleitung. "Neun Tage später hatte ich einen Vertrag in der Tasche."
Eigentlich war nach der Zeit in Afrika ein etwas ruhigeres Leben im
heimischen Saarbrücken geplant. Private Verwicklungen und ein
"sehr gutes Angebot" des Baukonzerns Philipp Holzmann ließen
ihn 1995 erneut auf Reisen gehen. Diesmal war China das Ziel.
Am Yalong, einem Nebenfluss des Yangtse, wurde ein riesiger Staudamm gebaut – Karl Addicks war dabei. Zwei Jahre danach endete seine Zeit auf den Baustellen dieser Welt. Eine Zeit, die er nie bereut hat und in der er sieben Sprachen lernte. Aber: "Ich hatte keine Lust mehr auf Baustellenjobs."
Zurück nach Deutschland kommt er dennoch nur kurz. Im
Ärzteblatt nämlich wurde ein leitender Mediziner für
ein neu zu eröffnendes Krankenhaus in Marokko gesucht –
ein Fall für Addicks. Das Projekt im Atlasgebirge brachte zwar
nicht den gewünschten Erfolg – das Krankenhaus wurde nie
eröffnet – aber dennoch ist die Zeit in Marokko für
ihn keine verlorene.
2002 kehrte er dorthin zurück und leitete ein Entwicklungshilfeprojekt der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Marrakesch. Dass er ein Jahr später dort kündigte und schließlich doch nach Deutschland zurückkehrte, war vor allem privaten Gründen geschuldet. Sein damals dreijähriger Sohn verkraftete die lange Abwesenheit des Vaters nicht.
Für Karl Addicks war es nun auch an der Zeit, seinen 1990 in
Basra beschlossenen Weg einzuschlagen: Addicks ging in die Politik.
Beim FDP-Ortsverband Saarbrücken meldete er sich mit den
Worten: "Ich will mitarbeiten." Danach ging es sehr schnell. Der
Weltenbummler wurde in den Kreisvorstand der Partei gewählt
und auf Platz drei der FDP-Landesliste für die folgende
Bundestagswahl gesetzt.
Als im November 2004 der FDP-Bundestagsabgeordnete Christoph Hartmann als Landesvorsitzender in den Saarländischen Landtag wechselte, ging Karl Addicks für ihn nach Berlin. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 wurde er über die Landesliste wiedergewählt.
Als Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung gilt er seither als ein glühender Verfechter
des "Hilfe-zur-Selbsthilfe-Konzeptes". "Es muss doch unser Ziel
sein, die Leute in Lohn und Brot zu bringen, irgendwann muss die
Hilfe auch überflüssig werden." Von Kollegen bekam er
daher den Vorwurf zu hören: Sie wollen wohl jedem eine
Schaufel in die Hand geben. Für Addicks eine durchaus
realistische Vorstellung: "Ja genau – das will ich!"
Der FDP-Mann hat durchaus Freude an seiner neuen Aufgabe als Bundestagsabgeordneter. Er will auch im nächsten Jahr wieder für einen Platz auf der Landesliste kandidieren. Aber: "Glauben Sie bloß nicht, dass das im Bundestag hier ein ruhiger Posten ist. Die Arbeit, die ich hier habe, ist deutlich stressiger als früher auf den Baustellen."