Kontroverse Aussprache nach Angela Merkels Regierungserklärung
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hat in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag, 19. März 2009, vor dem Bundestag die gemeinsame Handlungsfähigkeit der Europäischen Union betont. Anlass der Regierungserklärung waren die Frühjahrstagung des Europäischen Rates am 19. und 20. März und der bevorstehende Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) am 2. April in London. Weitere Konjunkturpakete lehnte die Kanzlerin ab. Für politische Auseinandersetzung in der anschließenden Debatte sorgte die diplomatische Verstimmung zwischen der Schweiz und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD).
Die Auswirkungen der globalen Krise stärken nach Auffassung
Angela Merkels vor allem das Bewusstsein zu notwendiger
Gemeinsamkeit. Insofern müsse das Motto der Europäischen
Union vor den Gipfeln in Brüssel und London "Kooperation statt
Abschottung" lauten, um Wachstum und Beschäftigung zu
sichern.
Bei den Gipfeltreffen der EU und der G20 wolle sich Deutschland
dafür einsetzen, die Chance für gemeinsames Handeln zu
nutzen unter der Fragestellung: „Wie kann man die nationalen
Maßnahmen so abstimmen, damit man sich nicht gegenseitig
behindert, und was kann man tun, damit sich diese Krise nicht
wiederholt?“
Zur Rolle der Europäischen Union in der Wirtschaftskrise führte sie weiter aus: „Wir können es nicht allein lösen, aber wir wollen Vorreiter sein.“ Bei dem europäischen Konjunkturpaket von insgesamt 400 Milliarden Euro für die Jahre 2009 und 2010 beteilige sich Deutschland mit mehr 80 Milliarden: „Wir sind in der Spitzengruppe. Wir leisten Überdurchschnittliches.“
Deutschland wolle Anreize schaffen für zusätzliche
Investitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Klimaschutz.
Aber Merkel warnte vor zuviel Aktionismus: Man dürfe nicht
schon wieder die nächsten Konjunkturmaßnahmen fordern
und einen "Überbietungswettbewerb an Versprechungen"
auslösen.
Sie lobte das Vorgehen gegen Steuerflucht und sagte vor allem in
Hinblick auf so genannte Steueroasen: „Es ist richtig und
unabdingbar, Ross und Reiter beim Namen zu nennen.“ Allein
die Androhung dessen habe dazu geführt, dass in vielen Staaten
der Standard der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eingehalten werde.
In der anschließenden Aussprache bemängelte Guido Westerwelle (FDP), dass es mehr Streit als Einigkeit gebe: „Wer in Europa einigen will, soll in der eigenen Bundesregierung zu Einigkeit fähig sein.“ Unter dem Applaus der FDP griff er die diplomatische Verwerfung als „unverantwortlich“ an, die Finanzminister Peer Steinbrück in der Schweiz ausgelöst habe. In Bezug auf so genannte Steueroasen sagte er: „Nicht die Oasen sind das Problem, sondern die Wüste drumherum.“
Joachim Poß (SPD) wandte sich zunächst an seinen
Vorredner und zeigte sich verwundert über dessen
„Sympathie für ein übersteigertes
Bankgeheimnis“. Die Rechnung für die systematische
Steuerhinterziehung müsse der deutsche Steuerzahler
übernehmen. Mit Blick auf die Regierungserklärung
äußerte er Unverständnis gegenüber einer
"Blockadehaltung" des Koalitionspartners. Die Ausführungen der
Kanzlerin seien nur glaubwürdig, wenn diese Blockade
aufgegeben würde.
Lothar Bisky (Die Linke) bemängelte, dass beim
Welthandelsgipfel in Washington und beim Ministertreffen in London
nichts beschlossen worden sei: „Es kam zu nicht mehr als
Andeutungen.“ Seine Partei hingegen wolle Hedgefonds und
Zweckgesellschaften verbieten und Steueroasen wirksam austrocknen:
„Nur so kann der Sumpf aus Gier und Spekulationen
trockengelegt werden.“
Otto Bernhardt (CDU/CSU) verteidigte den Kurs der Regierung: „Es gibt keine Regierung in der Welt, die so schnell und umfassend reagiert hat wie die deutsche.“ Im Hinblick auf die Gipfeltreffen merkte er an: „Wir sollten zunächst die Maßnahmen wirken lassen und nicht ständig neue Maßnahmen fordern.“ In Richtung des Finanzministers Steinbrück sagte er: „Die Art, wie der Minister mit der Schweiz umgeht, geht gar nicht.“
Auch Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) wandte
sich zunächst diesem Thema zu und kritisierte die Aussagen
Westerwelles zu Steueroasen: „Nicht die Oase oder die
umgebende Wüste sind das Problem, sondern die großen
Kamele in der Oase, die den anderen das Wasser
wegsaufen.“
Westerwelle habe sich erneut als deren „Schutzheiliger“
betätigt. Künast bemängeltemit Blick auf den
G20-Gipfel fehlende Umweltpolitik. Die Regierung müsse
beweisen, dass sie wirklich etwas ändern und nicht wieder zu
alten Regeln zurückkehren wolle.