Opposition kritisiert geplante Seitenblockierungen als wirkungslos
Die erste Beratung im Bundestag über das von der Regierung vorgelegte Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet hat die Opposition am Mittwoch, 6. Mai 2009, genutzt, um deutlich ihre Kritik zu formulieren. Die geplanten Regelungen zur Sperrung von kinderpornografischen Seiten im Internet bemängelten Redner von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke unisono als „wirkungslos“ und „verfassungsrechtlich bedenklich“. Hartmut Schauerte (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, verteidigte jedoch das Gesetzesvorhaben: „Access-Blocking“ werde erfolgreich in zahlreichen europäischen Ländern eingesetzt. Es sei aber „nur ein Baustein in der Gesetzesstrategie“ der Bundesregierung, die das Ziel habe, Kinder zu schützen und den Markt für Kinderpornografie auszutrocknen.
Kinderpornografie sei ein „abscheuliches Verbrechen“,
sagte Schauerte zu Beginn seiner Rede im Plenum. Kinder würden
missbraucht, um damit Geld zu verdienen. Dies müsse mit
„allen Mitteln“ bekämpft werden. Allerdings reiche
„der Arm deutscher Gesetze“ nicht über alle
Grenzen hinweg. Gerade das Internet habe die
gewerbsmäßige Verbreitung von Kinderpornos erleichtert
und die strafrechtliche Verfolgung erschwert.
„Das Internet ist nicht schrankenlos"
Ziel des von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen initiierten Gesetzes ( 16/12850) sei es deshalb, erläuterte der Staatssekretär, alle Internet-Anbieter zur Sperrung von kinderpornografischen Seiten zu verpflichten und damit den Zugang zu solchen Inhalten zu erschweren. Länder wie Norwegen, Dänemark, Italien oder die Schweiz hätten damit bereits gute Erfahrungen gemacht, so Schauerte.
Da sich aber Deutschland auf „gesetzgeberisches
Neuland“ begebe, sei eine Evaluierung nach zwei Jahren
geplant: „Sie sehen, wir gehen mit Festigkeit und Vorsicht
vor“. Den Vorwurf der „Internet-Zensur“, der
bereits im Vorfeld der Bundestagsdebatte von der Opposition
geäußert worden war, wies Schauerte zurück:
„Das wollen wir nicht einmal im Ansatz!“ Doch das
Internet sei nicht „schrankenlos“, so der
CDU-Politiker. „Das Gesetz ist die Grenze“. Sicher sei
„Acces-Blocking“
kein „Allheilmittel“ gegen Kinderpornografie, doch sei
es ein Baustein in der Strategie der Bundesregierung, Kinder zu
schützen und den Markt auszutrocknen.
„Seiten löschen, nicht sperren“
Max Stadler (FDP) gestand der Bundesregierung zu, sie verfolge zwar „gute Absichten“ mit ihrem Gesetzesvorhaben, doch über die Ausführung müsse noch dringend diskutiert werden. Das Gesetz werfe eine Reihe von Fragen auf: So sei grundsätzlich gar nicht klar, ob der Bund überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für eine Sperrung von Internetseiten habe. Da das Gesetz der Kriminalitätsabwehr dienen solle, sei dies eigentlich Sache der Länder, argumentierte Stadler.
Fraglich sei auch, ob das Mittel der Sperrung überhaupt
tauglich sei. Experten hätten daran bereits erhebliche Zweifel
geäußert: „Sie löschen die Seiten ja nicht,
sie sperren sie nur“, sagte Stadler. Und diese
„Zugangserschwernis“ sei zu leicht zu umgehen.
Darüber hinaus äußerte der Liberale Skepsis, ob
sich „Access-Blocking“ tatsächlich nur auf
kinderpornografische Seiten beziehen werde: „Dass eine
Ausweitung nicht geplant ist, glauben wir nicht!“
„Es ist eine staatliche Verpflichtung, Kinderpornos zu
sperren“
Martin Dörmann (SPD) verteidigte das Gesetzesvorhaben der Koalition: Angesichts einer wachsenden Kinderpornografie-Branche dürfe man nicht resignieren und zusehen. Es sei eine „staatliche Verpflichtung“, wenigstens den Zugang zu solchen Angeboten zu erschweren. „Wir können ihn nicht vollständig ausschließen“, gab der Sozialdemokrat zu. Doch mit dem geplanten Gesetz schaue man zumindest nicht länger zu, wie die „Hemmschwelle im Internet“ sinke.
Mit einem Stoppschild könne man abschrecken und die
„Hemmschwelle wieder erhöhen“. Dabei gehe es nicht
um Zensur, sondern nur um Bekämpfung in einem
„besonderen Fall“. Es bedürfe neben der Sperrung
von kinderpornografischen Seiten jedoch noch weiterer
Maßnahmen, sagte Dörmann und kündigte einen
Zehn-Punkte-Katalog seiner Fraktion an.
Polizei und Ermittlungsbehörden besser ausstatten
Jörn Wunderlich (Die Linke) kritisierte das geplante Gesetz scharf: Es sei untauglich, Kinderpornografie im Internet zu bekämpfen. Computerexperten hätten bereits „unisono“ die Unwirksamkeit von Sperren bestätigt. „Sie sind nur ein löchriger Sichtschutz“, monierte Wunderlich. „Gerade kursiert ein Video im Netz, wie solche Sperrungen umgangen werden können“, sagte Wunderlich.
Der Abgeordnete zitierte zudem den Stockholmer Chef der
Polizeiermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie und
Kindesmisshandlung, der gegenüber dem Nachrichtenmagazin
„Focus“ zugegeben hatte, dass ihre Sperrmaßnahmen
nicht dazu beitrügen, die Produktion von Webpornografie zu
vermindern. Stattdessen, so forderte Wunderlich, solle die
Bundesregierung Polizei und Ermittlungsbehörden personell und
finanziell besser ausstatten. „Verfolgen Sie die Täter
und löschen Sie die Seiten!“
„Gesetz fällt durch den
Rechtsstaatlichkeits-TÜV“
Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) warnte, die Bundesregierung begebe sich mit ihrem Gesetzentwurf auf „dünnes Eis“. Natürlich müsse sich der Rechtsstaat gegen ein Verbrechen wie Kinderpornografie wehren, jedoch mit „nachvollziehbaren und transparenten Regularien“, forderte der Abgeordnete. Diesen Anspruch erfülle das Gesetzesvorhaben der Regierung aber nicht: „Das fällt durch den Rechtsstaatlichkeits-TÜV.“
Der Innenexperte der Grünen kritisierte insbesondere den Plan,
die Sperrungslisten vom BKA zusammenstellen zu lassen. „Gibt
es keine Richter? Wo bleiben richterlicher Anordnungsbefehl und
Kontrolle?“, fragte Wieland. Im Kern schaffe das Gesetz eine
ständige Beschlagnahmemöglichkeit für die Polizei.
Auch sei es untragbar, dass die Umleitung auf die
“Stoppschild-Seite“ zum Fahndungsinstrument werde.
„Was geschieht mit den Daten von denen, die auf diese Seite
kommen, aber dann nicht weiter suchen?“