Experten äußerten sich im Rechtsausschuss zu Vorschlägen der Koalition
Sachverständige haben einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, der die Interessen von Opfern und Zeugen im Strafverfahren stärken soll, im Grundsatz begrüßt. Dies wurde während einer Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwoch, dem 13. Mai 2009, deutlich. So bezeichnete Prof. Dr. Reinhard Böttcher, Bundesvorsitzender des „Weißen Rings“, den Gesetzentwurf als „großen Schritt in die richtige Richtung“. Er führe den eingeleiteten Reformprozess zugunsten der Opfer von Kriminalität „in überzeugender Weise“ fort. Den Interessen der Verletzten und den Belangen der Zeugen werde im Strafverfahren in wichtigen Punkten besser entsprochen als bisher.
Die Praxis der vom „Weißen Ring“ geleisteten
Opferhilfe zeige, so Böttcher, dass viele Opfer über die
Rechte und bestehenden Hilfsmöglichkeiten bisher nicht
ausreichend informiert werden. Sie liefen deshalb Gefahr, diese
Rechte und Hilfsmöglichkeiten nicht in Anspruch zu nehmen.
Böttcher appellierte an den Bundestag, das Gesetz noch vor der
Bundestagswahl zu verabschieden.
Christian Schmidt-Sommerfeld, Präsident des Landgerichts München II, machte deutlich, die mit dem Opferrechtsreformgesetz ( 16/12098) beabsichtigten rechtspolitischen Ziele würden „im Grundsatz“ sehr begrüßt. Er warnte jedoch davor, das „Rad in diese Richtung zu überdrehen“. So betrügen die Kosten für die öffentlichen Haushalte allein aufgrund der Gebühren für einen Opferanwalt 10 bis 20 Millionen Euro. Die verstärkte Möglichkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Verletzte käme hinzu, so der Experte.
Wolfgang Arenhövel, Präsident des
Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, stimmte den
vorgeschlagenen Regelungen im Grundsatz zu. Opfer von Straftaten,
zumal von besonders schweren, müssten staatlichen Schutz
beanspruchen können. Es gelte das staatliche
Strafverfolgungsmonopol, das die Ermittlungsbehörden und
Gerichte wegen der verfassungsrechtlich garantierten
Unschuldvermutung zu einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren
verpflichte. Regelungen, die dem Opferschutz Rechung trügen,
eine Aufklärung der Straftat aber zum Nachteil des
Beschuldigten behinderten oder gar verhinderten, seien deshalb
nicht akzeptabel, sagte Arenhövel.
Die Entwürfe führten die seit mehreren Jahrzehnten andauernden Bemühungen um eine Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen in Strafverfahren weiter, machte Prof. Dr. Dieter Dölling, Direktor des Instituts für Kriminologie an der Universität Heidelberg klar. Die Entwürfe seien zu begrüßen, da sie Verbesserungen für die Opfern und Zeugen vorsähen, ohne die Rechte von Beschuldigten zu beschneiden. Das Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden und zügigen Aufklärung und Sanktionierung von Straftaten sei gleichfalls berücksichtigt.
Prof. Dr. Heinz Schöch von der
Universität München führte aus, der Gesetzentwurf
verfolge das berechtigte Ziel, die im Strafverfahren bestehenden
Rechte der Opfer und der Zeugen von Straftaten angemessen zu
erweitern. Dies geschehe in ausgewogener Weise. Hervorzuheben sei,
dass sich die vorgeschlagenen Verbesserungen der Verletzten- und
Zeugenrechte nicht zulasten der „legitimen“ Befugnisse
der Verteidigung des Beschuldigten auswirkten, so Schöch
weiter.
„Licht und Schatten“ war das Fazit von Prof. Dr. Matthias Jahn vom Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an Universität Erlangen-Nürnberg. Das gesetzgeberische Ziel einer stetigen Verbesserung des Schutzes von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren verdiene grundsätzlich Zustimmung. Ein automatisches Überwiegen der „Opferbelange“ gegenüber den Rechten des Beschuldigten sei dabei nicht begründbar.
Gleicher Meinung war der Bremer Rechtsanwalt Helmut
Pollähne: Die Stärkung von Opferrechten
könne nicht mit der Schwächung der Rechte von
Beschuldigten einhergehen.
Liste der geladenen Sachverständigen