Bundestag billigte die Möglichkeit zur Sperrung von Internetseiten
Nach mehr als einstündiger Debatte hat der Bundestag am Donnerstagabend eines der umstrittensten Gesetze der letzten Wochen beschlossen: das „Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen“. Die Große Koalition hatte am 15. Juni nach massiver Kritik aus der SPD den bisherigen Entwurf für ein "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen" ersetzt. Aus Sicht von Union und SPD haben sich die späten Änderungen an dem Gesetzentwurf ausgezahlt: Bei der namentlichen Abstimmung stimmten 389 Abgeordnete dafür und 128 dagegen. 18 enthielten sich der Stimme.
Ergebnis
der namentlichen Abstimmung
Mit dem Gesetz, das noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt, will die Bundesregierung den Zugang zu Kinderpornografie im Internet erschweren. Es verpflichtet alle großen deutschen Internet-Anbieter, den Zugang zu Seiten mit Kinderpornografie zu blockieren.
Wer im Internet eine Seite mit kinderpornographischem Inhalt anklickt, soll dort in Zukunft auf ein virtuelles „Stopp-Schild“ stoßen. Anders als zunächst vorgesehen, bleibt die Anfrage einer mit einem Stoppschild versehenen Seite allerdings strafrechtlich folgenlos. Die Internet-Anbieter sollen die Daten von Nutzern laut dem neuen Entwurf nicht an das Bundeskriminalamt (BKA) weiterleiten.
Der gestern abgestimmte Gesetzentwurf unterscheidet sich von dem in
erster Lesung im Mai beratenen in weiteren Punkten. Die Sperrung
wird mit einem "Zugangserschwerungsgesetz" geregelt – und
nicht wie zunächst geplant mit dem Telemediengesetz. Damit
soll herausgestellt werden, dass es ihm allein um
kinderpornografische Inhalte geht – und nicht um andere
Delikte.
Verankert wurde auch der von der SPD gefordete Grundsatz „Löschen vor Sperren“. Seiten mit kinderpornografischem Inhalt dürfen nur in die vom Bundeskriminalamt zu führende Sperrliste aufgenommen werden, wenn die Inhalte der Seiten nicht gelöscht werden. Die Arbeit des BKA wird zudem von einem fünfköpfigen Gremium, das beim Bundesdatenschutzbeauftragten angesiedelt wird, kontrolliert.
Mit den Änderungen seien alle wesentlichen Kritikpunkte aus
einer Anhörung von Experten vor dem Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie sowie des Bundesrates aufgenommen und
berücksichtigt worden, erklärte der stellvertretende
wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin
Dörmann. Insbesondere werde ausgeschlossen, dass die noch zu
schaffende Infrastruktur im Internet „auch in
zivilrechtlichen Verfahren genutzt werden kann“.
Die CDU-Abgeordnete Dr. Martina Krogmann sagte, das Gesetz erschwere den Zugang zu Kinderpornografie erheblich. Zudem sei es zunächst auf drei Jahre befristet und werde nach zwei Jahren gründlich evaluiert.
Die Opposition übte deutliche Kritik nicht nur am Inhalt,
sondern auch am Verfahren der Gesetzgebung. Was dem Bundestag nun
vorgelegt werde, sei „ein völlig neues Gesetz, ohne
Anhörung und ohne zweite und dritte Lesung“, monierte
der innenpolitische Sprecher der FDP, Dr. Max Stadler.
Inhaltlich untermauerte Stadler seine Kritik aus vergangenen Debatten: Internet-Sperren seien kein wirksames Mittel und „in Sekundenschnelle“ zu umgehen. Ausweitungsforderungen seien „so sicher wie das Amen in der Kirche“. Stadler kündigte an, das Gesetz werde Verfassungsbeschwerden standhalten müssen.
Für die Linke bekräftigte Jörn Wunderlich
verfassungsrechtliche Bedenken. Auch die Installation eines
Kontrollgremiums habe „mit Rechtsstaat wenig zu tun“.
Das Gesetz sei der Einstieg in die Internetzensur. Der
Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland konstatierte: „Wenn
Sie bei einem Gesetz von fünf Giftzähnen zwei ziehen,
können Sie doch nicht erwarten, dass wir dann
zustimmen!“
Wieland kritisierte insbesondere die Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten Peter Schaar, die dieser selbst auch ablehnt. Ungefragt werde ein Datenschützer zum Teil eines Kontrollinstrumentariums: "Dabei würde ein Richter genügen. Und vor dem drücken sie sich.“ Weiterer Protest steht ins Haus: Eine Petition beim Deutschen Bundestag gegen das Gesetz wurde von inzwischen 134.000 Menschen unterzeichnet.