Höchstes politisches Signal gegen das Vergessen: Vor zehn Jahren, am 25. Juni 1999, beschloss der Bundestag, das "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" in Berlin zu errichten. Von der Bürgerinitiative bis zum Beschluss waren zehn Jahre vergangen, in denen über Sinn, Ort und Ausgestaltung eines solchen Denkmals diskutiert wurde. Schließlich sollte angesichts der nationalen Bedeutung und breiten Debatte in der Öffentlichkeit der Bundestag eine Entscheidung treffen. Sie fiel auf das Stelenfeld des amerikanischen Architekten Peter Eisenman.
In der dreistündigen Debatte ging es einmal grundsätzlich
um die Frage, ob ein Denkmal den ermordeten Juden Europas oder
allen Opfern des Nationalsozialismus gewidmet sein soll. Zweitens
ging es auch darum, ob das Denkmal in der Form des Stelenfeldes
nahe dem Brandenburger Tor errichtet werden soll oder als biblische
Mahnung "Du sollst nicht morden", wie es ein anderer Entwurf
vorgesehen hatte.
Zur Entscheidung stand zudem, ob das Denkmal um einen
unterirdischen Ort der Information über den Holocaust
ergänzt werden soll.
Namentliche Abstimmung
Nach der fünfstündigen Aussprache stimmte der Bundestag namentlich ab. Von 537 abgegebenen Stimmen entfielen 314 auf den überarbeiteten Entwurf von Eisenman, verbunden mit einem Ort der Information im Untergrund. Mit Nein stimmten 219 Abgeordnete, 14 enthielten sich der Stimme.
Alle anderen Anträge mit Alternativvorschlägen lehnte die
Mehrheit im Bundestag ab.
In dem Beschluss heißt es: "Mit dem Denkmal wollen wir die ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an ein unvorstellbares Geschehen der deutschen Geschichte wach halten und alle künftigen Generationen mahnen, die Menschenrechte nie wieder anzutasten, stets den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen, die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz zu wahren und jeder Diktatur und Gewaltherrschaft zu widerstehen."
Darüber hinaus verpflichtet der Bundestag die Bundesrepublik,
der anderen Opfern des nationalsozialistischen Regimes würdig
zu gedenken.
Vorgeschichte
In den achtziger Jahre gab es Forderungen aus der Gesellschaft, der ermordeten Juden Europas in Berlin zu gedenken. Lea Rosh war die erste Initiatorin eines unübersehbaren Mahnmals. Nach dem Fall der Mauer schlug der aus einer Bürgerinitiative hervorgegangene "Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas" als Standort ein Gelände nördlich der früheren Reichskanzlei in den ehemaligen Ministergärten vor.
Das Land Berlin und der Bund unterstützten diese Idee. Der
Gewinner-Entwurf eines ersten Wettbewerbs 1994 wurde nicht
umgesetzt. Auch nach einem zweiten Wettbewerb 1997 wurde keine
Entscheidung getroffen. Das Denkmalprojekt hatte inzwischen eine
grundsätzliche Debatte über das historische
Selbstverständnis der Deutschen am Ende des 20. Jahrhunderts
ausgelöst.
Parlamentarische Beteiligung
Angesichts der nationalen Bedeutung eines Denkmals waren bereits 1996 die Rufe nach einer parlamentarischen Entscheidung im Bundestag lauter geworden.
1998 bat der Berliner Senat den Bundestag, einen Beschluss zu
fassen. Wegen der bevorstehenden Bundestagswahl kam es zu keiner
weiteren Entscheidung, nachdem der überarbeitete Entwurf von
Eisenman als Favorit des zweiten Wettbewerbs hervorging.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl (CDU) regte noch eine
Überarbeitung an. Eisenmans neuer Entwurf, "Eisenman II",
sollte später vom Bundestag beschlossen werden. Die neu
gewählte Bundesregierung von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen beschoss in ihrer Koalitionsvereinbarung, die
Entscheidung über das Denkmal vom Deutschen Bundestag treffen
zu lassen.
Die Denkmal-Projekt durchlief das Parlament fast wie ein Gesetzesvorhaben. Engagierte Debatten wurden geführt, aus den Fraktionen kamen verschiedene Vorschläge. Nach mehreren Anhörungen und Ausstellungen beschloss der Bundestag, ein Denkmal für die ermordeten Juden nach dem Entwurf eines Stelenfelds auf dem vorgesehenen Standort errichten zu lassen. Es sollte um einen "Ort der Information" über die zu ehrenden Opfer und die authentischen Stätten des Gedenkens ergänzt werden. Zur Umsetzung des Beschlusses wurde eine Stiftung eingesetzt, in deren Kuratorium auch Bundestagsmitglieder mitwirkten.
Der Bundestag bewilligte im Jahr 2000 die Summe von 25,3 Millionen
Euro für den Bau des Denkmals (Stelenfeld und Ort der
Information). Knapp sechs Jahre nach dem Beschluss, im Mai 2005,
wurde das Denkmal eröffnet.