Scharfe Kritik an der Informationspolitik des ehemaligen Managements der Hypo Real Estate (HRE) gegenüber dem Aufsichtsrat des Instituts im Krisenjahr 2008 hat am Donnerstag, 2. Juli 2009, Hans Tietmeyer vor dem Untersuchungsausschuss geübt. Der ehemalige Bundesbankpräsident (1993 bis 1999) sagte, das Aufsichtsgremium habe erst am 22. September im Zusammenhang mit der HRE-Krise im Gefolge der Pleite von Lehman Brothers von Problemen des Instituts sowie von einer Sonderprüfung von Bundesbank und BaFin in der Zeit davor erfahren.
Tietmeyer, der von Ende Mai und Mitte November 2008 im
HRE-Aufsichtsrat saß sagte dazu: "Das war sehr
ärgerlich, da ist mir der Kragen geplatzt." Noch im Juni 2008
habe der Vorstand dem Aufsichtsrat einen positiven Bericht
über die Lage der Bank und auch die
Refinanzierungsmöglichkeiten ihrer irischen Tochter Depfa
vorgelegt.
Der Zeuge verteidigte die staatliche Rettungsaktion bei der HRE: "Daran ist nichts auszusetzen.“ Dieses Institut habe eine "systemische“ Bedeutung, dessen Kollaps hätte den Pfandbriefmarkt erheblich belastet, was auch einige andere Banken nicht überlebt hätten. Tietmeyer erklärte, dass er sich zunächst für eine Stützung der HRE durch private Banken eingesetzt habe, was aber nicht gelungen sei.
Der Ex-Bundesbanker, der den Spitzengremien der Depfa bis zu deren
Erwerb im Herbst 2007 durch die HRE angehörte, erläuterte
den Abgeordneten, dass sich die irische Bank mit diesem Verkauf zur
Absicherung ihrer Risiken in einem größeren Verbund auf
eine breitere Grundlage habe stellen wollen. Die Depfa sei damals
nicht gefährdet gewesen, doch sei sie wegen der
Abhängigkeit von der kurzfristigen Refinanzierung ihrer
langfristigen Engagements bei Staatsfinanzierungen
"verwundbar“ gewesen.
Tietmeyer verneinte die Frage von Unions-Obmann Leo Dautzenberg, ob die Depfa für den Erwerb durch die HRE als Braut besser geschmückt worden sei: Seinerzeit seien die Rating-Beurteilungen gut gewesen, bei der Depfa habe es keine Probleme gegeben, auch wenn die Gewinnmargen kleiner geworden seien. Mit einem völligen Zusammenbruch der Finanzmärkte nach der Lehman-Pleite habe niemand rechnen können.
Hingegen bestätigte Stéphane Wolter vor dem Ausschuss
seine bereits in einem Interview gemachte Einschätzung, dass
mit dem Kauf der Depfa die Krise der HRE programmiert gewesen sei.
Der einst beim Risikocontrolling der HRE tätige Sachbearbeiter
sagte, schon bei der Übernahme des stark auf kurzfristige
Refinanzierungen ausgerichteten irischen Instituts im Herbst 2007
sei er der Überzeugung gewesen, man könne nur hoffen,
dass die Finanzmärkte nicht eines Tages austrocknen.
Seine Auffassung sei bis zur HRE-Vorstandsebene hinauf bekannt gewesen. Das Lehman-Fiasko "war nur der Funke, der zur Explosion führte“. Laut Wolter wurden die Refinanzierungsprobleme der Depfa im Laufe des Jahres 2008 immer größer, in der zweiten Augusthälfte seien "ernsthafte Warnhinweise“ aus Dublin übermittelt worden, "dass es eng wird“.
Die für die Depfa durchgespielten Risikoszenarien, die im
schlimmsten Fall eine Liquiditätsreserve von nur wenigen Tagen
ergeben hätten, seien dann im September "ziemlich genau“
eingetreten. Nach Meinung des Zeugen hätte sich der Staat
schon im Juli 2008 Notfallszenarien für die HRE überlegen
müssen.
SPD-Obfrau Nina Hauer hielt Wolter entgegen, dass sich nach Aussagen von Fachleuten der Aufsichtsbehörde BaFin und nach Rating-Beurteilungen die Liquiditätslage bei der HRE-Gruppe bis zum Sommer 2008 positiv entwickelt habe. Auch sei der Investor Flowers nach Prüfung der HRE-Finanzsituation mit über einer Milliarde Euro noch im April 2008 bei dem Münchner Institut eingestiegen. Dazu sagte Wolter, es komme auch darauf an, welche Unterlagen externe Prüfer zur Verfügung hätten.
Der Untersuchungsausschuss soll die Vorgänge um den
Beinahekollaps der HRE aufklären, der wesentlich durch die
Schieflage der Depfa nach dem Lehman-Fiasko im September 2008
verursacht wurde. Die HRE musste zwischenzeitlich mit fast 90
Milliarden Euro an öffentlichen Garantien gestützt
werden.