Es soll für den Bundestag die Arbeit der Nachrichtendienste überwachen: Das Parlamentarische Kontrollgremium. Diesen Zirkel von neun Abgeordneten muss die Bundesregierung regelmäßig über die Arbeit der Dienste informieren. Doch Vorfälle, wie die Bespitzelung von Journalisten oder fragwürdige Agenteneinsätze im Ausland haben zuletzt Zweifel an der Effektivität des Gremiums genährt. Parlamentarier aller Fraktionen monierten den Mangel an Befugnissen: Von Pannen erführe das Gremium nicht bei seinen Treffen, so die Kritik, sondern aus der Zeitung. Im Juni beschloss der Bundestag nun eine Verschärfung der Kontrolle. Doch wie effektiv kann die parlamentarische Kontrolle sein? Und: Wie gut ist das deutsche System im internationalen Vergleich?
"Es kann nicht angehen, dass das Parlament über Vorfälle aus dem Bereich der Nachrichtendienste aus den Medien erfährt und erst verspätet von der Bundesregierung", empörte sich der FDP-Politiker Max Stadler und war sich mit Hans-Peter Uhl (CSU) einig, der die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste als "ineffektiv" bezeichnete. Diese hinge sämtlich von Mehrheitsbeschlüssen ab, kritisierte auch der Grüne Hans-Christian Ströbele, wie Stadler und Uhl Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium.
Es sei ein "blinder Wächter ohne Schwert", brachte schließlich Wolfgang Neskovic (Die Linke) die parteiübergreifende Kritik auf den Punkt. Gemeint damit: Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) - eine Institution des Bundestags, die zuständig ist für die Überwachung der drei bundesdeutschen Geheimdienste: Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst und Bundesamt für Verfassungsschutz.
Neun Abgeordnete gehören derzeit dem Gremium an, das sich in der Regel monatlich geheim in einem abhörsicheren Sitzungssaal im Kellergeschoss des Bundestages trifft. Verschwiegenheit ist für die parlamentarischen Kontrolleure oberste Pflicht: Weder dürfen sie sich Notizen während der Sitzungen machen, noch dürfen sie über das sprechen, was sie dort erfahren - auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag sind sie zur Geheimhaltung verpflichtet.
1978 wurde das Parlamentarische Kontrollgremium - damals noch unter dem Namen "Parlamentarische Kontrollkommission" - erstmals gesetzlich verankert. 1999 erfuhr das Gremium dann eine weitere rechtliche Aufwertung: Durch das Kontrollgremiumgesetz wurde es mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Demnach ist die Bundesregierung verpflichtet, das Kontrollgremium über die allgemeine Arbeit der Geheimdienste und Vorgänge von "besonderer Bedeutung" zu informieren.
Doch tatsächlich zeigte die Vergangenheit, dass die Bundesregierungen es nicht über solche Vorgänge informierte: Die Einsätze von BND-Agenten im Irak oder in Liechtenstein bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehung - davon erfuhren die Parlamentsvertreter erst aus den Medien.
Eine Situation, die nicht nur Abgeordnete beklagen. Auch Experten, wie der Bielefelder Rechtswissenschaftler Christoph Gusy, fordern die Informationszugangsmöglichkeiten für die parlamentarischen Aufseher zu verbessern. Denn: "Jede Kontrolle reicht höchstens so weit wie die Informationen der kontrollierenden Instanz. Wer nichts weiß, kann nichts fragen beziehungsweise Auskünfte nicht bewerten", so Gusy in einem 2008 in der Zeitschrift für Rechtspolitik erschienenen Artikel.
Nach langem Ringen verabschiedete der Bundestag im Juni schließlich eine Reform, die die Geheimdienstkontrolle erstmals im Grundgesetz verankert und zugleich verschärft: Ab sofort darf das Kontrollgremium nicht nur Akteneinsicht nehmen, es kann nun auch auf der Herausgabe von Dokumenten bestehen. Auch bekommen seine Mitglieder neuerdings Zutritt zu allen Dienststellen der Nachrichtendienste, die sie überprüfen wollen. Und: Bei internen Missständen dürfen sich Geheimdienstmitarbeiter direkt an das Kontrollgremium wenden.
Außerdem erhalten die parlamentarischen Aufseher erstmals fünf Mitarbeiter, die Zugang zu Unterlagen und einzelnen Sitzungen des Gremiums bekommen sollen - wenn dies eine Zwei-Drittel-Mehrheit genehmigt. Schließlich darf das Gremium in Ausnahmefällen die Öffentlichkeit über Pannen informieren.
Entgegen ursprünglichen Plänen wird das Kontrollgremium aber nicht für Bundeskriminalamt und Zollkriminalamt zuständig sein. Auch wird es keinen Sachverständigen geben, der das Gremium mit Fachwissen unterstützt, so wie Rechtsexperten es empfohlen hatten. Die neu eingeführte Klagemöglichkeit des PKGr vor dem Bundesverfassungsgericht soll zudem nur auf Antrag einer Zwei-Drittel-Mehrheit wahrgenommen werden können, ebenso wie das Recht der Parlamentarier mit ausgewählten Fällen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Zwei Gründe, warum die Opposition unzufrieden mit der Reform ist und insbesondere mangelnde Minderheiterechte beklagt: Sämtliche Kontrollbefugnisse des Gremiums seien von Mehrheitsbeschlüssen abhängig, so Neskovic. Die Regierungsfraktionen hätten es in der Hand, ob die Regierung in Bedrängnis gerate oder nicht. Das sei "absurd". Für den Linkspolitiker zielt die Reform zwar in die richtige Richtung. Doch von effektiver Kontrolle könne weiterhin keine Rede sein, das Gremium bleibe ein "blinder Wächter ohne Schwert".
Für den Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt zeigt sich hier ein doppelter Konflikt: Zum einen kollidiere das Ziel des Geheimschutzes mit dem Streben nach Kontrolle über die Herstellung von Öffentlichkeit. Gleichzeitig tendiere die Regierung dazu, Informationen und Insiderwissen für sich zu behalten. Aus diesem Grund sperre man sich auch gegen einen unabhängigen Sachverständigen. Aber: "Es ist sicher keine falsche Vermutung, dass die Opposition im Zweifelsfall den Gang in die Öffentlichkeit nutzen würde, um die Regierung an den Pranger zu stellen", so der Dresdner Professor im Gespräch mit bundestag.de. "Ob das nun sachgerecht ist oder nicht, es geht schließlich auch darum, politisch zu punkten".
Für ein Manko hält Patzelt aber, dass das Parlamentarische Kontrollgremium über keinen eigenen Apparat verfügt. Dabei sei die Ablehnung eines behördlichen Unterbaus, wie etwa eines Geheimdienstbeauftragten, sachlich gar nicht nachvollziehbar: "In präsidentiellen Systemen wie den USA gibt es eine Reihe von Behörden, die ausschließlich dem Kongress zuarbeiten und ihm seine Kontrollaufgabe erleichtern."
Tatsächlich bescheinigen Studien, die die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste im internationalen Vergleich betrachten, den USA das am weitesten ausgebaute Kontrollsystem: Dort waren nach Enthüllungen über die Rolle des Geheimdienstes CIA bei verdeckten Operationen und Attentaten Mitte der siebziger Jahre zwei parlamentarische Gremien im Kongress geschaffen worden, die beide über einen behördlichen Unterbau von je rund 60 Mitarbeitern verfügen.
Anders als in Deutschland müssen die Gremien etwa bei verdeckten Operationen der Dienste informiert werden, ihre Zustimmung ist sogar zwingend erforderlich. Obwohl die Befugnisse der parlamentarischen Aufseher in Deutschland soweit nicht reichen, gilt das deutsche System international als erfolgreich: Viele Staaten, gerade in Osteuropa, nutzen es als Ratgeber für den Aufbau eigener demokratischer Nachrichtendienste.
Den Grund dafür sieht Patzelt vor allem darin, dass "Regierungs- und Staatsleistungsaufgaben vom Grundsatz her Regierung und Parlament zur gesamten Hand anvertraut sind". Von dieser normativen Festlegung her bedürfe es keiner Rechtfertigung, dass Geheimdienste parlamentarisch kontrolliert werden müssen. "Das war der entscheidende Durchbruch." Anders als in Frankreich, wo die Dienste weitgehend der exekutiven Eigenkontrolle unterliegen.
Die jüngste Reform der deutschen parlamentarischen Geheimdienstkontrolle ist für den Parlamentarismus-Experten Patzelt dennoch ein "wichtiger Schritt in einer Folge von Schritten den Bundestag zu stärken und in seinen Kontrollmöglichkeiten der Regierung besser gegenüberzustellen". Wie diese Rechte dann im konkreten Fall durchgesetzt würden, werde aber erst die Zukunft zeigen.