Nein, sie weiß noch nicht, was sie machen wird, erklärt Dr. Uschi Eid mit überraschender Offenheit auf die Frage, was sie denn geplant habe für ihre Zukunft nach acht Jahren Regierungsmitverantwortung und insgesamt sechs Legislaturperioden im Parlament. Dass sie nicht wieder antreten wollte von einem sicheren Listenplatz aus, war freilich schon seit Längerem bekannt. "Natürlich werde ich nun mehr Zeit haben als bisher", sagt die Grünen-Politikerin. "Aber ich weiß wirklich noch nicht, ob ich dann tatsächlich mehr zu Hause sein werde."
Was ihren Partner angehe, so würden sie natürlich mehr gemeinsam unternehmen können. "Besonders schön wird es für uns beide sein, dass er nicht mehr permanent das Gefühl haben muss, sich nach meinem Terminkalender richten zu müssen."
Seit Längerem zu wissen, dass sich vieles ändern werde, bedeute freilich nicht automatisch, auch zu wissen wie es geht. "Es gibt viel Neues zu lernen", sagt Eid. Dazu gehöre auch damit umzu-gehen, Räume und Zeiträume für sich zu reservieren. Im Übrigen sieht sie etlichen Nachholbedarf. Endlich werde sie Zeit haben, für sich Dinge zu klären, "die ja auf der politischen Bühne häufig nur flüchtig und oberflächlich berührt werden können."
Besonders liegt der früheren Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dabei die Frage nach Ursachen am Herzen: "Bisher war es mir nicht möglich, der Frage in der notwendigen Breite und Tiefe nachzugehen, was Entwicklung hemmt oder fördert oder warum es in Afrika nicht so vorangeht." Dem will sie nun nachgehen. Aber - "nein, nein, ein Buch soll das nicht werden", versichert sie.
"Natürlich fühlt man sich besonders wichtig, wenn alle Welt einen einlädt, und man merkt sofort, wenn das weniger wird. Aber ich bin da auch gelassen", erklärt Eid auf die Frage nach dem Gefragtsein und zur Problematik nachlassenden Einflusses. Sie habe gelernt damit umzugehen und erlebt, "wie sich die Dinge verändern, wenn man sein Bundestagsmandat verliert wie ich 1990", oder wenn man, wie 2005, "nach dem Regierungswechsel wieder zur Opposition und obendrein auch noch zur kleinsten Oppositionspartei gehört".
Allerdings hält sie es für unangemessen, Veränderungen aus einer solchen Warte zu betrachten: "Denn dass jemand wie ich überhaupt einmal in ein solches Amt gekommen ist, hat allem wider-sprochen, was Helge Pross, Soziologie-Professorin und Weggefährtin von Horkheimer und Adorno, über die Chancen von Frauen vom Lande in unserer Gesellschaft postuliert hat."
Gefragt nach Höhen und Tiefen des politischen Lebens, erklärt die Jungsechzigerin lachend: "Ach wissen Sie, die Tiefpunkte vergisst man." Nach einigem Überlegen gibt sie aber doch zu, manchmal immer noch daran "zu knabbern, dass komplexe Erfahrungen, die man selber gemacht hat, ganz schwer zu vermitteln sind und man meist sehen muss, dass Diskussionen und Konflikte, von denen man glaubte, sie seien längst ausgestanden, wieder aufgerollt werden, sobald jemand anderes hinzu kommt und meint, eine neue Facette entdeckt zu haben."
Weniger Mühe hat die Bündnisgrüne, die auch auf zahlreiche konstruktive Bündnisse mit Unionspolitikern in Sachen Entwicklungspolitik verweisen kann, mit der Benennung politisch-persönlicher Höhepunkte. "Etwas ganz Besonderes" war für sie zum Beispiel eine Begegnung mit Nelson Mandela, dem Mann, der sich 1994 als Präsident Südafrikas nach jahrzehntelanger Haft während des Apartheid-Regimes ohne Hass daranmachte, schwarze und weiße Bevölkerungsgruppen zusammenzuführen. Und in ihrer Arbeit wirklich verstanden fühlte sich Eid durch ihre Berufung zur "G-8-Beauftragten des Bundeskanzlers für Afrika" im Oktober 2001.
Ein Resümee zum Abschied? "Als Regierungsvertreterin oder Abgeordnete, als Beraterin des UNO-Generalsekretärs für den Bereich Wasser und sanitäre Grundversorgung, vor allem aber als Wahlbeobachterin habe ich", sagt Eid, "viele Staaten besuchen können, auch viele von Diktatoren und Tyrannen beherrschte Länder, in denen es keine Rechtsstaatlichkeit gab oder in denen es zum ersten Mal darum ging, allgemeine, freie und geheime Wahlen durchzuführen."
"Dies", unterstreicht Eid, "hat mir den Blick geöffnet für unsere demokratische Verfasstheit: Ich wollte ja früher auch mal unser System ändern. Aber je länger ich damit umgehe, desto mehr geht es mir um das Bewahren, denn ich habe nichts Besseres kennengelernt als unsere Demokratie - und das bezieht sich vor allem auf unser Wahlsystem mit dem Verhältniswahlrecht."