„Jeder ist seines Glückes Schmied“ - ist dieses Sprichwort heute noch gültig oder gehört dahinter eher ein Frage- als ein Ausrufezeichen? Argumente gibt es sowohl für das Frage- als auch für das Ausrufezeichen, meinte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU) in einer Talksendung des Parlamentsfernsehens. ARD-Moderatorin Dr. Katrin Prüfig ging in der 45-minütigen Sendung mit Lammert, dem Arbeit suchenden Hochschulabsolventen Pawel Hörnle, der Studentin Sarah Jermutus und dem Studenten Nathanael Liminski am 17. September 2009 den Zukunftsperspektiven der jungen Leute in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise auf den Grund.
Für Norbert Lammert ist die Schlussfolgerung nicht richtig, dass Erfolg oder Misserfolg immer am Einzelnen selbst liegen, insofern müsse diese Volksweisheit relativiert werden. Es sei auch nicht richtig, dass die heutige Generation es schwerer habe als frühere Generationen. Dass jemand mit der ersten Bewerbung gleich Erfolg habe und ein anderer sich 30 bis 40 Mal vergeblich bewerbe, habe nicht unbedingt etwas mit der fachlichen Eignung zu tun, sondern hänge mit der Bewerberlage zusammen oder auch mit den Vorlieben des Personalchefs.
Einer, der in den vergangenen zwölf Monaten ohne Erfolg 40 bis 50 Bewerbungen verschickt hat, ist der 28-jährige Pawel Hörnle, der sein Fachhochschulstudium der Kommunikationstechnik mit der Gesamtnote 1,9 abgeschlossen hat. Von den Firmen erhielt er die Auskunft, er solle warten, „bis der Markt wieder besser ist“. Hörnles Fazit: „Ich habe eine gute Ausbildung in einer Zukunftsbranche gemacht und bekomme trotzdem keinen Job.“
Hörnle hadert dennoch nicht mit dem Schicksal. „Ich habe mich gefragt: Was mache ich falsch? Ich sage mir: Ich habe einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt. Es liegt nicht an mir. Man muss es weiter probieren.“
Norbert Lammert sagte dazu, für moderne Hochleistungstechnologien sei es fast typisch, dass sie sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden können. Das könne nicht immer sauber getrennt werden. Generell sei es vernünftig, mit eigenen Vorstellungen von der eigenen Zukunft ins Leben zu gehen statt zu sagen: „Ich nehme, was kommt.“ Neben der Einsicht in die „Unvermeidlichkeit von Kompromissen sollte man „wissen, was man will und was man nicht will“.
Ulrike Handke-Leptien, Leiterin der Unterabteilung Zentrale Verwaltung im Deutschen Bundestag und damit auch für Personal zuständig, sagte, es werde zwar vor allem auf Leistung, auf Noten geachtet, doch zunehmend auch auf Zusatzqualifikationen. “Beharrlichkeit hat sich in vielen Fällen ausgezahlt: Immer wieder bewerben, den Mut nicht verlieren und sich weiterbilden“, empfahl sie den jungen Leuten. Lammert fügte hinzu: "Ich würde mir wünschen, dass die Leute mit Personalverantwortung auch abgelehnten Bewerbern einen Hinweis geben, warum ihre Bewerbung nicht erfolgreich war."
Beifall vom jugendlichen Publikum im Studio, darunter Praktikanten und Oberstufenschüler, erhielt die 22-jährige Sarah Jermutus, die Politikwissenschaft im fünften Semester studiert, für ihre Feststellung: „Es wird zu wenig in Bildung investiert. Ich bin auch sehr gegen Studiengebühren. Die Staatsverschuldung ist ein Problem, unsere Generation muss sie abbezahlen.“
Dem hielt Norbert Lammert entgegen, keine Ausbildung sei aussichtsreicher als die Hochschulausbildung. Daher sei es nicht begreiflich, warum man dem Staat Ausgaben zumute, aber nicht bereit sei, sich an der Finanzierung dieser Aufwendungen zu beteiligen. Niemand habe sich darüber aufgeregt, dass in Kindergärten Gebühren erhoben werden. „Bei Studiengebühren wird protestiert, bei Kindergartengebühren nicht“, so der Bundestagspräsident.
Nathanael Liminski, 24 Jahre alt, studiert in Bonn im Hauptfach Mittelalterliche und Neuere Geschichte und im Nebenfach Politische Wissenschaft und Rechtswissenschaft. Er stellte fest: „Für die Finanzkrise ist man bereit, Mittel zur Verfügung zu stellen. Da konnte der politische Wille schnell entwickelt werden. Wenn das Wasser langsam steigt, wie bei den Veränderungen der Sozialsysteme aufgrund des demografischen Wandels, lautet das Argument dagegen: Das ist nicht finanzierbar.“
Dem stimmte Norbert Lammert zu: „Es ist so, dass wir auf plötzliche, nicht vorhersehbare Katastrophen anders reagieren als auf absehbare Katastrophen.“