Der Antrag der Fraktion Die Linke nach einer radikalen Wende in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik ist im Bundestag auf einhellige Ablehnung aller anderen Fraktionen gestoßen. In der rund 85-minütigen Debatte am Donnerstag, 22. April 2010, warfen Abgeordnete von CDU/CSU und FDP der Linksfraktion vor, den sozialen Frieden zu gefährden und die Menschen zu verunsichern. Auch Redner von SPD und Bündnis 90/Die Grünen kritisierten die Forderungen als realitätsfern und populistisch. Der Antrag ( 17/1396) wurde in die zuständigen Ausschüsse zu weiteren Beratungen überwiesen.
Die Linke verlangt in dem Papier die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes von zehn Euro pro Stunde und eine Verlängerung der Zahlung des Arbeitslosengeldes I auf 24 Monate. In der Leiharbeit soll das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ab dem ersten Einsatztag ohne Ausnahme gelten. Zudem soll der Druck auf Erwerbslose verringert und die Zumutbarkeitsregeln für die Aufnahme einer Beschäftigung verändert werden. Die so genannte Niedriglohnstrategie der Bundesregierung wird als gescheitert bezeichnet.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Ernst, sagte, Hartz IV und Leiharbeit hätten zu einem Erdrutsch bei den Löhnen und regulärer Beschäftigung geführt. Fast ein Viertel aller Beschäftigten werde mit Niedriglöhnen abgespeist. 1,37 Millionen Menschen müssten ihr Gehalt vom Staat aufstocken lassen, weil sie von dem Geld nicht leben könnten. Ernst hielt den Unternehmen vor, Leiharbeit zum Abbau von Arbeitsplätzen zu missbrauchen. Deshalb seien klare Regelungen und eine gleiche Entlohnung für Leiharbeiter und regulär Beschäftigte unbedingt notwendig.
Auch der Arbeitsmarktexperte der SPD-Fraktion, Ottmar Schreiner, sieht Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und forderte die Politik auf, diese zu korrigieren. "Ich halte es für eine Schande, dass in einem der reichsten Länder der Erde Menschen so wenig verdienen, dass sie davon nicht leben können“, sagte er. Es sei feste Überzeugung der SPD-Fraktion, dass es nicht Aufgabe des Steuerzahlers sei, Armutslöhne zu subventionieren.
Den von der Linksfraktion geforderten gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde nannte er "arg populistisch“. In der SPD gebe es Überlegungen von 8,50 Euro. Das sei ein vernünftiger Einstieg. Kritik übte Schreiner auch an den Plänen der Bundesregierung, die Regeln für befristete Arbeit weiter lockern zu wollen. Schon 2009 seien etwa 50 Prozent aller Arbeitsverhältnisse befristet gewesen, sagte er. "Diese Entwicklung ist extrem familien- und kinderfeindlich.“
Der CDU-Arbeitsmarktexperte, Dr. Johann Wadephul sagte an die Adresse der Linksfraktion: "Wir brauchen kein sozialistisches Wünsch-dir-was.“ Er verteidigte die geplante Ausweitung von Befristungen als Flexibilisierungsinstrument, das für Unternehmen notwendig sei. Gleichzeitig bekannte sich Wadephul zur Tarifautonomie, die ein Erfolgsmodell der Bundesrepublik sei und nicht durch staatliche Regelungen ausgehebelt werden dürfe.
Sein Fraktionskollege Ulrich Lange sprach von einem Antrag, der nichts weiter als Job-Vernichtung sei. Würde man diesen umsetzen, "hätten wir in Deutschland eine beispiellose Rezession", sagte der CSU-Arbeitsmarktexperte.
Ein verantwortungsloses Spiel mit den Sorgen der Menschen nannte der FDP-Arbeitsmarktexperte Reiner Deutschmann die Forderungen der Fraktion Die Linke. Er verwies auf den Bundeshaushalt, in dem fast die Hälfte aller Mittel für Sozialleistungen ausgegeben würden.
Die Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Beate Müller-Gemmeke, kritisierte den Antrag als "wildes Sammelsurium an radikalen Forderungen“. Es gehe nicht darum, sich in der Höhe eines gesetzlichen Mindestlohnes gegenseitig überbieten zu wollen. Das Thema sei viel zu wichtig. Deshalb müssten alle Fraktionen an einem Strang ziehen.
Die Linksfraktion tritt in ihrem Papier außerdem für einen besonderen Kündigungsschutz für Eltern ein. Als diskriminierend bezeichnet sie die wachsende Lohnlücke zwischen Männern und Frauen und verlangt die Verankerung eines Entgeltgleichheitsgrundsatzes in Tarifverträgen. Weiter heißt es in dem Antrag: "Zumutbar ist eine Arbeit nur, wenn die Qualifikation geschützt und die vorherige Lohnhöhe berücksichtigt wird. Die Aufnahme untertariflich entlohnter Arbeit ist generell nicht zumutbar.“