Berlin: (hib/MIK) Die Lage der
Bundesfinanzen gibt nach Auffassung des Bundesrechnungshofes (BRH)
Anlass zu "ernster Besorgnis". Wie aus den Bemerkungen der
Rechnungsprüfer zur Haushalts- und Wirtschaftführung und
zur Jahresrechnung des Bundes 2004 (
16/160) hervorgeht, verschlechtert sich die
Haushaltsstruktur sowohl auf der Ausgaben- als auch auf der
Einnahmenseite "rapide". Auf der Ausgabenseite würden vor
allem die Belastungen im Sozialbereich ins Gewicht fallen. Erstmals
in der Geschichte des Bundeshaushaltes entfalle mehr als die
Hälfte des veranschlagten Haushaltsvolumens auf diesen
Bereich. Der erneute Anstieg beruhe ganz überwiegend auf den
drastisch gestiegenen Ausgaben für den Arbeitsmarkt. Zusammen
mit den Zinsausgaben würden die Sozialausgaben mittlerweile
rund zwei Drittel des Haushaltsvolumens beanspruchen. Noch
dramatischer verlaufe die Entwicklung im Verhältnis zu den
Steuereinnahmen. Unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden
Mehrausgaben für den Arbeitsmarkt würden im Jahr 2005
rechnerisch mehr als 90 Prozent der Steuereinnahmen für
Sozial- und Zinsausgaben verwendet. Der Anteil der für
Investitionen verwendeten Haushaltsmittel sei dem gegenüber
weiter rückläufig. Nicht einmal neun Prozent der
Gesamtausgaben würden in den Investitionsbereich
fließen. "Innerhalb der Sozialausgaben bilden nach wie vor
die Leistung des Bundes an die Rentenversicherung den
größten Ausgabenblock", heißt es weiter. Rund ein
Drittel der Rentenversicherungsausgaben kämen direkt aus dem
Bundeshaushalt; fast 31 Prozent der Gesamtausgaben des
Bundeshaushaltes würden auf den Rentenbereich entfallen. Die
Rentenleistungen des Bundes hätten sich damit innerhalb von
zehn Jahren verdoppelt. Im Haushaltsjahr 2005 würden die
Gesamtausgaben über die Alterssicherung mit rund 93 Milliarden
Euro etwa die Hälfte der Steuereinnahmen des Bundes
verschlingen. Auch die Arbeitsmarktausgaben des Bundes sind
"dramatisch gestiegen", schreiben die Rechnungsprüfer weiter.
Dies sei zum einen auf die nach wie vor schwierige Situation am
Arbeitsmarkt, zum anderen aber auch auf die Einführung der
neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende
zurückzuführen. Der Bund trage die finanzielle Hauptlast
der mit "Hartz IV" bezeichneten Zusammenführung der bisherigen
Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe. Die im Bundeshaushalt 2005
für den Arbeitsmarkt veranschlagten rund 34 Milliarden Euro
würden bei weitem nicht ausreichen, um den Ausgabenbedarf in
diesem Jahr abzudecken. "Die Steuereinnahmen als mit Abstand
wichtigster Einnahmequelle des Bundeshaushalts halten mit den
Belastungen auf der Ausgabenseite nicht Schritt", so der BRH. In
den letzten Jahren würden sie stagnieren oder seien sogar
rückläufig gewesen. Nach dem Ergebnis der
Steuerschätzung vom Mai 2005 werde das Steueraufkommen des
Bundes im Haushaltsjahr 2005 um fast 12 Milliarden Euro unter dem
des Jahres 2000 liegen, während die Ausgaben im gleichen
Zeitraum um rund 10 Milliarden Euro gestiegen seien. Für den
Zeitraum 2006 bis 2008 sei mit rund 36 Milliarden Euro weniger an
Steuereinnahmen für den Bund zu rechnen, als noch in der
Steuerschätzung ein Jahr zuvor angenommen worden sei. Allein
für das Haushaltsjahr 2006 würden die zu erwartenden
Steuereinnahmen die Planungszahlen des letzten Finanzplans um rund
11 Milliarden Euro und die des vorletzten Finanzplans sogar um rund
30 Milliarden Euro unterschreiten. Der Rückgang des
Steueraufkommens des Bundes beruhe zu einem nicht unwesentlichen
Teil auf einer Reihe von Steuerabzügen, die der Bund vor allem
im Rahmen der Regelungen zum Familienleistungsausgleich, zur
Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs sowie
zum vertikalen Finanzausgleich zu verkraften hatte. Die fehlenden
Steuereinnahmen seien seit Mitte der 90er-Jahre durch zunehmende
Einnahmen aus Vermögensverwertungen teilweise kompensiert
worden, heißt es weiter. Diese so genannten Beteiligungs-
oder Privatisierungserlöse hätten seitdem in erheblichem
Umfang zur Haushaltsfinanzierung beigetragen. Im Haushalt 2005
seien rund 17,2 Milliarden Euro, im Haushaltsentwurf 2006 sogar
rund 22,8 Milliarden Euro veranschlagt. Als Folge der hohen
Vermögensverwertungen dürfte das Vermögen des Bundes
aus seinen Beteiligungen an den Postnachfolgeunternehmen sowie aus
seinem Forderungsbestand insbesondere gegenüber
ausländischen Staaten spätestens im Jahr 2007 weitgehend
aufgebraucht sein, so der BRH. Belastungen wie zum Beispiel die
Pensionsverpflichtungen der ehemaligen Bundespost in dreistelliger
Milliardenhöhe würden dagegen noch jahrzehntelang vom
Bund zu finanzieren sein. Dies bedeute eine zusätzliche
finanzwirtschaftliche Hypothek für künftige
Bundeshaushalte.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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