Schily rechtfertigt Einreisesperre gegen Kurnaz
1. Untersuchungsausschuss - 29.03.2007
Berlin: (hib/KOS) Ex-Innenminister Otto
Schily hat am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss die
Entscheidung vom Herbst 2002 verteidigt, den damaligen
Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz im Falle einer seinerzeit im
Raum stehenden Freilassung durch die USA nicht in die
Bundesrepublik einreisen zu lassen. Im Sinne des Strafrechts sei
der in Bremen aufgewachsene Türke zwar als unschuldig
einzustufen, so der SPD-Politiker. Polizeirechtlich sei es aber
geboten gewesen, ihn im Rahmen der Abwehr terroristischer Gefahren
als Sicherheitsrisiko einzuordnen. Schily erklärte, er sehe
keinen Anlass, diese von den Spitzen der Geheimdienste und des
Bundeskriminalamts (BKA) im Oktober 2002 getroffene Entscheidung in
Zweifel zu ziehen. Aus Sicht des früheren Ressortchefs sind
die Vorwürfe gegen Kurnaz auch heute noch nicht
ausgeräumt. Der nach seiner Verhaftung in Pakistan Ende 2001
bis August 2006 in Guantanamo einsitzende Bremer Türke konnte
letztlich aufgrund einer Intervention von Kanzlerin Angela Merkel
nach Deutschland zurückkehren. Er selbst sei seinerzeit mit
dem Fall Kurnaz nicht im Detail befasst gewesen, sagte Schily vor
dem Ausschuss. In der Rückschau begründen nach seiner
Auffassung die den Geheimdienst- und BKA-Verantwortlichen damals
vorliegenden Verdachtsmomente stichhaltig die Einstufung von Kurnaz
als eines Gefährders. Der SPD-Politiker verwies u. a. auf
dessen überstürzte Abreise nach Pakistan, auf den - von
der Opposition bestrittenen - Kauf eines Kampfanzugs durch den
Türken, auf dessen Kontakte zu islamistischen Organisationen
oder auf dessen "unglaubwürdige Darstellung", in Pakistan
religiöse Studien betreiben zu wollen. Zu der Kritik des
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne), dass
deutsche Geheimdienstler nach einem Verhör in Guantanamo
Kurnaz im Herbst 2002 als ungefährlich beurteilt hätten,
sagte Schily, die Geheimdienstspitzen seien zu einer anderen
Bewertung gekommen, "und das halte ich für glaubwürdig".
Der Ex-Minister wehrte sich gegen den Vorwurf, mit der
Verhängung einer Einreisesperre gegen Kurnaz habe die
rotgrüne Regierung dessen Haftverlängerung in Guantanamo
zu verantworten. Schließlich hätte Kurnaz ja in die
Türkei ausreisen können. 2002 habe auch Einvernehmen mit
dem um eine Freilassung von Kurnaz bemühten Auswärtigen
Amt geherrscht, den Gefangenen in einem solchen Fall in die
Türkei zu überstellen. Schily erklärte, angesichts
der damaligen Gefährdungsanalyse hätte man Kurnaz auch in
die Türkei ausgewiesen, so er aus Pakistan in die
Bundesrepublik zurückgekehrt wäre. Der SPD-Politiker
betonte, aus seiner Sicht seien Inhaftierungen in einem
rechtsfreien Raum wie Guantanamo unter keinen Umständen zu
rechtfertigen. Die Verantwortung für dieses Gefängnis
liege aber ausschließlich bei den USA. Nach dem Auftritt
Schilys will der Ausschuss im Laufe des Nachmittags
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Zeugen
vernehmen, der 2002 als Kanzleramtschef amtierte.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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