Berlin: (hib/VOM) Die geplante
Einführung eines so genannten Anteilsverfahrens als
Wahlmöglichkeit für den Lohnsteuerabzug von Ehepaaren ist
bei Sachverständigen auf Vorbehalte gestoßen. In der
öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am
Mittwochnachmittag zum Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes
2008 (
16/6290) sowie zu Anträgen der FDP, die
Steuerklasse V abzuschaffen (
16/6396), der Linksfraktion, die
Entfernungspauschale vollständig anzuerkennen (
16/6374), sowie von Bündnis 90/Die
Grünen, die Lohnsteuerklassen III, IV und V zu streichen (
16/3023), brachte Ulrike Spangenberg vom
Deutschen Juristinnenbund die Alternative einer
Individualbesteuerung der Eheleute mit übertragbarem
Grundfreibetrag ins Spiel. Dadurch könnten mehrere
Lohnsteuerklassen wegfallen. Im Regierungsentwurf ist vorgesehen,
dass Ehepaare neben den Steuerklassen-Kombinationen IV/IV oder
III/V auch eine anteilige Besteuerung wählen können, um
die übermäßige Belastung des jeweils geringer
Verdienenden durch den Lohnsteuerabzug zu mildern. Spangenberg
nannte dieses Anteilsfahren problematisch, weil der Arbeitgeber
dadurch über das Einkommen des Ehepartners seines
Arbeitnehmers informiert würde. Dadurch könnten für
die Betroffenen Nachteile entstehen, etwa wenn Frauen mit der
Begründung gekündigt würde, in der Ehe stehe ein
zweites Einkommen zur Verfügung. Im Übrigen stelle das
Finanzamt am Jahresende lediglich eine gemeinsame Steuerschuld des
Paares fest, der "interne Ausgleich" zwischen den Eheleuten finde
nicht automatisch statt. Auf diesen Umstand wies auch Hartmut
Tofaute vom Deutschen Gewerkschaftsbund hin. Das Anteilsverfahren
bringe gegenüber der Kombination III/V einen gewissen
Fortschritt, doch sollte man nach weiteren Verbesserungen suchen.
Aus Sicht der Finanzbeamten sagte Thomas Eigenthaler von der
Deutschen Steuer-Gewerkschaft: "Die Finanzverwaltung hat bisher gut
mit den bisherigen Steuerklassen gelebt." Sowohl beim
Anteilsverfahren als auch bei dem von der FDP vorgeschlagenen
Durchschnittssatzverfahren, bei dem sich der Lohnsteuerabzug der
Eheleute an ihren durchschnittlichen Steuersätzen des
Vorjahres orientiert, werde es auf jeden Fall komplizierter. In
beiden Fällen müsste das Finanzamt ein
Besteuerungsmerkmal auf der Basis des Vorjahresergebnisses
gesondert feststellen. Professor Karl Georg Loritz von der
Universität Bayreuth sagte, er halte es für
"äußerst problematisch", wenn der Arbeitgeber den
Verdienst des anderen Ehepartners kenne. Im weiteren Verlauf der
Anhörung äußerten sich die Sachverständigen
auch zur geplanten Präzisierung des Paragrafen 42 der
Abgabenordnung, wonach künftig eine "ungewöhnliche
rechtliche Gestaltung" dann als missbräuchlich gelten soll,
wenn für sie "keine beachtlichen außersteuerlichen
Gründe" nachgewiesen werden können. Thomas Eigenthaler
von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft nannte diese Vorschrift ein
"starkes Schwert", um den Steuermissbrauch zu Lasten der
Allgemeinheit abzumildern. Für die Finanzverwaltung bedeute es
eine Vereinfachung, wenn der Steuerzahler künftig nachweisen
müsse, dass seine Gestaltung keinen Missbrauch darstellt.
Derzeit trage das Finanzamt eine "starke Beweislast". Eigenthaler
schlug jedoch vor, statt unbestimmter Rechtsbegriffe wie
"ungewöhnlich" Fallgruppen zu konstruieren, um die
Steuerakrobatik einzudämmen. Der Präsident des Deutschen
Finanzgerichtstages, Jürgen Brand, nannte die Regelung eine
"Allzweckwaffe". "Es ist gut, dass es sie gibt", sagte er. Karl
Georg Loritz bezeichnete sie dagegen als unpraktikabel, weil die
Steuerpflichtigen nicht mehr wüssten, was sie noch machen
dürften. Auch Claudia Ende von der Bundessteuerberaterkammer
riet dazu, neue unbestimmte Rechtsbegriffe zu vermeiden. Man sollte
auf die bestehende Rechtsprechung zurückgreifen, um
Rechtssicherheit zu schaffen. Thomas Borstell von der
Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst &Young bezeichnete die
Vorschrift schließlich als "investitionsschädlich", weil
sie vorhandene unbestimmte Rechtsbegriffe durch neue unbestimmte
Rechtsbegriffe ersetze, die von der Rechtsprechung wieder ausgelegt
werden müssten.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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