Berlin: (hib/VOM) "Wunderdinge darf man nicht erwarten", sagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Bernhard Heitzer, am Montagnachmittag über die geplante Kartellrechtsnovelle der Bundesregierung. Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels ( 16/5847) sei zwar im Hinblick auf die Missbrauchsaufsicht ein schärferes Instrument als die jetzige Regelung, stelle aber keine "grundlegende Abkehr" vom jetzigen Instrumentarium im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen dar, so Heitzer. Die Bundesregierung erhofft sich, mit den Möglichkeiten der Beweislastumkehr und des Sofortvollzugs ungerechtfertigte Preiserhöhungen verhindern zu können. Zum einen sollen die Energieversorger nachweisen müssen, dass sie mit ihrer Preissetzung ihre Marktmacht nicht missbrauchen, zum anderen sollen die Anordnungen des Bundeskartellamts sofort umgesetzt werden müssen, ohne dass Gerichtsentscheidungen abgewartet werden können. "Jetzt nichts zu tun, wäre zu wenig. Wir haben allen Anlass, dieses schärfere Instrument zum Einsatz zu bringen", betonte Heitzer, dessen Behörde die Novelle wird anwenden müssen. "Ich glaube, dass wir damit umgehen können." Die Befürchtung, dass die verschärfte Missbrauchsaufsicht den Markteintritt neuer Anbieter auf dem Energiemarkt verhindern könnte, hält Heitzer für eine "ziemliche Mär".
Der Tübinger Ökonom Wernhard Möschel hält Preiskontrollen für kontraproduktiv, weil dadurch die Anreize vermindert würden, in diesen Markt zu gehen. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um eine vorübergehende Regelung handele oder nicht. Im Entwurf ist vorgesehen, dass befristet bis Ende 2012 die Entgelte die Kosten nicht in "unangemessener Weise" übersteigen dürfen. Möschel sieht in der Vorlage den Versuch, das Rad "ein Stück weit zurückzudrehen". Derzeit seien die gesetzlichen Maßnahmen ein "Schuss in den Ofen". Der Regierung riet er: "Steig ab, bevor das Pferd tot ist." Nicht begeistert von der Novelle zeigte sich auch Robert Busch vom Bundesverband Neuer Energieanbieter. Die Novelle wirke "marktverschließend" und überfordere das Kartellamt. Gebraucht würden neutrale Netze, die "nicht wie bisher zwischen Freund und Feind unterscheiden". Auf der Ebene der Netznutzung sei eine strikte Preisregulierung erforderlich, so Busch.
Holger Krawinkel vom Verbraucherzentrale Bundesverband plädierte für eine Entflechtung von Netz und Produktion, um zu mehr Wettbewerb zu kommen, wie dies auch die EU-Kommission anstrebt. Die Alternative sieht er in einer staatlichen Preisaufsicht. Die Entflechtungslösung unterstützte auch Professor Claudia Kemfert von Humboldt-Universität Berlin. Dies wäre ein "Mittel des Wettbewerbs", sagte sie. Im Übrigen trat sie für eine europäische Regulierungsbehörde ein, die den Wettbewerb überwacht. Für einen europäischen Strommarkt trat Professor Carl Christian von Weizsäcker vom Max-Planck-Institut ein. Je intensiver der Stromaustausch sei, desto mehr näherten sich die Preise einander an. In England seien die Preise höher als in Deutschland, obwohl es dort funktionierenden Wettbewerb gebe. Daher sei es nicht ausgemacht, so von Weizsäcker, dass die Preise in Deutschland zu hoch seien. Auch eine Europäisierung des Strommarktes bedeute kein "paradiesisches Nirwana des Nullpreises für Strom". Eberhard Meller vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft führte die steigenden Preise auf die Verknappung des Angebots zurück. "Erleichtern Sie den Ausbau neuer Kraftwerke und erschweren sie ihn nicht", sagte Meller.
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