Berlin: (hib/HAU) Die von der
Bundesregierung vorgelegte Novelle des Gentechnik-Gesetzes (
16/6814) wird von Sachverständigen
abgelehnt. Das wurde während einer öffentlichen
Anhörung im Agrarausschuss am Montagnachmittag deutlich. Die
Novellierung sieht die Umstellung von der Anmelde- zur
Anzeigepflicht vor, mit der Folge, dass der Betreiber der
gentechnischen Anlage sofort nach Eingang der Anzeige bei der
zuständigen Behörde mit den Arbeiten beginnen kann.
Beibehalten wird in der Novelle der öffentliche Zugang zum
Standortregister für Gentechnik-Anbauflächen ebenso die
verschuldensunabhängige Haftungsregelung. Mit der
Gesetzesänderung, so der Deutsche Bauernverband, werde das im
Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel einer Förderung der
Gentechnik-Anwendung in Deutschland nicht erreicht. Insbesondere
die unveränderten Haftungsregelungen beim Anbau gentechnisch
veränderter Organismen (GVO), nach denen Landwirte
verschuldensunabhängig haftbar sind, auch wenn sie der "guten
fachlichen Praxis" folgen, seien nicht akzeptabel. Der
Bauernverband plädierte daher weiterhin für einen
Haftungsfonds. Das Gesetz schwäche den Innovationsstandort
Deutschland, kritisierte die Deutsche Industrievereinigung
Biotechnologie. Die Angaben im öffentlich zugänglichen
Teil des Standortregisters müssten auf die Gemarkung
beschränkt werden, um Zerstörungen auf GVO-Feldern zu
verhindern. Als "wissenschaftlich nicht begründet" werden die
Anbauabstände von GVO-Mais zu herkömmlichem Mais von 150
Metern und zu ökologisch bewirtschafteten Flächen von 300
Metern abgelehnt. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft
(BÖLW) bemängelte die Haftungsregelungen hingegen aus
einem anderen Grund. Sie seien unzureichend, da sie erst bei einer
Verunreinigung von 0,9 Prozent greifen würden. Dieser
Grenzwert sei zu hoch angesetzt und schaffe Rechtsunsicherheit.
Wolle man Kontamination verhindern, müsse der Wert auf 0,1
Prozent gesenkt werden. Das entspräche einer
Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Vorgaben, so der BÖLW.
Kontaminierte Reste aus wissenschaftlichem GVO-Anbau dürften
nicht zur Biogasgewinnung genutzt, sondern müssten vernichtet
werden, forderte Rechtsanwältin Katrin Brockmann aus Berlin.
Dem widersprach Professorin Inge Broer von der Universität
Rostock. Die industrielle Verwendung von Auskreuzungsprodukten sei
sinnvoll. Rund um GVO-Versuchsfelder angebaute "Mantelsaaten"
könnten durchaus zur Gewinnung von Biogas genutzt werden. Eine
schleichende Vermischung sei dabei sehr unwahrscheinlich. Broer
kritisierte die Beibehaltung der genauen Standortbenennung. Dies
habe bisher bei den Forschungseinrichtungen zu "erheblichen"
Verlusten geführt. Rechtsanwalt Achim Willand aus Berlin
lehnte nachbarschaftliche Regelungen zwischen GVO-Anbauern und
Nicht-GVO-Anbauern ab. Es sei im Interesse der Allgemeinheit,
Lebensmittel vor einer schleichenden Verunreinigung zu
schützen. Dies zu überwachen sei Aufgabe der
zuständigen Behörden, da es sonst zu einem erheblichen
Verlust an Transparenz und Kontrolle über die Verwendung von
GVO komme. Die Koexistenz von gentechnisch verändertem Anbau
und konventioneller Produktion in der Landwirtschaft werde durch
das Gesetz nicht gestützt, sagte die
Einzelsachverständige Mute Schimpf. Ein besonderes
Kontaminationsrisiko besteht ihrer Ansicht nach bei der Ernte. Um
eine Auskreuzung zu vermeiden müssten daher GVO-Landwirte
eigene Mähdrescher benutzen, die nicht in Kontakt mit
gentechnisch unverändertem Getreide kommen.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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