Berlin: (hib/BOB) Eine gesetzliche Regelung über sogenannte Patientenverfügungen ist notwendig. Dieser Meinung waren fast alle Sachverständigen, die zu einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochmittag geladen waren. Entsprechende gegenteilige Behauptungen - wie etwa der Bundesärztekammer - wiesen sie zurück. Die Experten äußerten sich zu drei parlamentarischen Initiativen, die dem Bundestag zurzeit vorliegen.
Der Gesetzentwurf des SPD-Abgeordneten Joachim Stünker und des FDP-Parlamentarier Michael Kauch ( 16/8442) berücksichtige am besten das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, urteilte Professor Friedhelm Hufen von der Universität Mainz. Das Sterben in Würde und die Beachtung eines in freier Selbstbestimmung geäußerten Patientenwillens gehörten zur Menschenwürde. Ärzte, Betreuer und Gerichte seien folglich unmittelbar an den verfassungsrechtlich geschützten Patientenwillen gebunden. Ein Änderungsantrag der SPD-Abgeordneten Marlies Volkmer (Ausschussdrucksache) vereinige die Vorzüge des an der Selbstbestimmung orientierten Entwurfes von Stünker/Kauch und die auf Information und Konsens setzenden Elemente des Entwurfes der Unionsabgeordneten Wolfgang Zöller und Hans Georg Faust ( 16/11493), so der Sachverständige. Michael de Ridder, Chefarzt der Rettungsstelle des Vivantes Klinikums Am Urban in Berlin, betonte, nicht wenige Patienten, gerade im hohen Alter, würden sich mit einer Patientenverfügung gezielt und bewusst gegen äußerste Optionen der Medizin entscheiden und lieber ihrer Selbstbindung als einem fremden ärztlichen Urteil folgen. Kritik übte er am Gesetzentwurf des Abgeordneten Wolfgang Bosbach und anderen ( 16/11360). Die Vorlage enthalte im Kern eine Entmündigung der Person, die eine Patientenverfügung erstellt habe. Professor Gian Domenico Borasio vom Münchner Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin betonte, der beste Schutz vor ärztlichen Fehlern bestehe in einer besseren Ausbildung der Ärzte in Palliativmedizin. Dringend notwendig sei ein Gesetz, das die Palliativmedizin als Pflichtfach in die ärztliche Approbationsordnung einführe. Borasio lobte den unter der Federführung Zöller/Faust entstanden Gesetzentwurf, da dieser die Bedeutung der Umsetzung der Patientenverfügung zwischen Arzt und Betreuer umfassend sichere. Er regte an, diesen Entwurf um zwei Elemente der beiden anderen Gesetzentwürfe zu bereichern. Übernommen werden solle die qualifizierte ärztliche Beratung als "Soll-Vorschrift" aus dem Gesetzentwurf des Abgeordneten Bosbach u.a. und die Formulierungen zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens aus dem Stünker/Kauch-Entwurf. Der Vizepräsident des Oberlandesgerichts München, Hans-Joachim Heßler, hob das in der Patientenverfügung enthaltene Freiheitsrecht hervor. Schwerstkranken hätten einen Anspruch darauf, in Würde sterben zu dürfen. Die Ärzte dürften den Patienten nicht als Objekt, sondern als Subjekt wahrnehmen, mahnte Professor Volker Lipp von der Universität Göttingen. Der Wille des Patienten sei stets uneingeschränkt anzuerkennen. Er sei unabhängig von der Form und der Art seines Nachweises zu beachten. Professor Wolfram Höfling von der Universität Köln warf die Frage auf, ob jede Patientenverfügung eine strikte Verbindlichkeit genieße. Der nicht selten erhobene Vorwurf der "Überbürokratisierung" des Sterbens gehe fehl. Der Beratungsbedarf für eine kompetent ausgefüllte Patientenverfügung sei "unendlich hoch", stellte der Chefarzt des Ketteler-Krankenhauses in Offenbach, Stephan Sahm, fest. Daher sollte nur die Patientenverfügung verbindlich sein, die die formalen und inhaltlichen Anforderungen erfüllen. Es gelte Patienten vor womöglich unreflektiert abgefassten Willensbekundungen zu schützen, sagte Salm.Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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