Berlin: (hib/STO) Die mögliche Behandlung Schwerstabhängiger mit künstlichem Heroin auf Kassenkosten stößt bei Experten auf ein gegensätzliches Echo. Dies wurde am Montagnachmittag bei einer Sachverständigenanhörung des Gesundheitsausschusses zu zwei fast gleichlautenden Gesetzentwürfen einer Abgeordnetengruppe von SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/11515) und des Bundesrates ( 16/7249) sowie zu einem Antrag zahlreicher Unions-Parlamentarier ( 16/12238) deutlich. Während die Gesetzentwürfe darauf abzielen, die Behandlung mit synthetisch hergestelltem Heroin - so genanntes Diamorphin - in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu integrieren, wollen die Unions-Abgeordneten ein 2002 in mehreren Städten gestartetes und mittlerweile abgeschlossenes Modellprojekt zur kontrollierten Heroinabgabe fortführen.
Für eine Übernahme der Diamorphin-Behandlung in die GKV-Regelversorgung reiche derzeit der Kenntnisstand nicht aus, argumentieren die Autoren des Antrags. Den Gesetzentwürfen zufolge sprechen dagegen die Ergebnisse der Modellprojekte dafür, eine Diamorphin-Behandlung für eine "klar begrenzte Zielgruppe Opiatabhängiger" zu ermöglichen. Damit könnten schwerstkranke Heroinsüchtige, "die bislang nicht erfolgreich behandelt werden konnten, künftig verstärkt therapeutisch behandelt werden", heißt es in den Entwürfen.
In der Anhörung betonte auch der Vertreter der Bundesärztekammer, Christoph von Ascheraden, die mit dem Modellprojekt verbundene Studie weise nach, dass die Diamorphin-Behandlung für eine bestimmte Patientengruppe alternativlos sei und helfe, Leben zu retten. Von einer reinen Fortsetzung des Modellprojekts seien dagegen keine neuen Beurteilungskriterien zu gewinnen, nach denen man die Gruppe der Teilnehmer an einer Diamorphin-Behandlung besser abgrenzen könne. Nach den Gesetzentwürfen soll eine solche Behandlung nur in Betracht kommen bei Betroffenen, die mindestens 23 Jahre alt und seit fünf oder mehr Jahren abhängig sind und zudem bereits zwei erfolglose Therapien absolviert haben.
Kritik an diesen Kriterien kam unter anderem von Axel Meeßen vom GKV-Spitzenverband. Er bemängelte, dass ein Großteil der 120.000 bis 190.000 Heroinabhängigen diese Bedingungen erfüllen würde. Nach Schätzungen des GKV-Spitzenverbandes wäre dies bei etwa 70.000 Abhängigen der Fall. Damit würden sich die Kosten der Diamorphin-Therapie auf 0,7 bis 1 Milliarde Euro summieren, während nur ein Drittel davon bei einer Methadon-Behandlung im gleichen Umfang anfiele. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung kritisierte Paul Rheinberger, dass die vorgesehenen Kriterien "prototypisch für Heroinabhängige" und deshalb ungeeignet seien. Danach kämen für die Heroin-Abgabe sehr viel mehr Betroffene in Frage als 1.000 oder 2.000 Schwerstabhängige.
Vertreter mehrerer der an dem Modellprojekt beteiligten Städte verwiesen dagegen darauf, dass keineswegs alle vorhandenen Therapieplätze für eine Diamorphin-Behandlung in Anspruch genommen würden. Befürchtungen, "dass zu viele Patienten kommen würden", träfen angesichts der engen Zugangsvoraussetzungen nicht zu, sagte etwa Marlis Bredehorst von der Stadt Köln. Auch Rainer Blobel aus Karlsruhe betonte: "So viele, die vor der Tür stehen, gibt es nicht."
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