Jung erläuterte den Abgeordneten, ihm habe am Morgen des 4. September die Meldung vorgelegen, dass sich unter 56 Toten und Verletzten keine Zivilisten befänden. Dies habe ihm auch noch einmal am folgenden Tag Oberst Klein, den der Zeuge als ”sehr besonnenen und hervorragend ausgebildeten Soldaten“ bezeichnete, in einem Telefonat bestätigt. Gleichwohl habe er angesichts unklarer Opferzahlen gegenüber den Obleuten des Verteidigungsausschusses und den Medien schon in der ersten Phase nach dem Angriff eine zurückhaltende Informationspolitik betrieben. Vom 6. September an sei dann aufgrund einer Meldung in der ”Washington Post“ und nach einem Telefonat mit Isaf-Kommandeur Stanley McChristal klar gewesen, dass zivile Opfer nicht mehr auszuschließen seien. Dies habe sich auch in seinen Unterrichtungen des Bundestags, des Kanzleramts und der Öffentlichkeit niedergeschlagen, sagte Jung. Auf eine entsprechende Frage der Ausschussvorsitzenden Susanne Kastner (SPD) betonte er, die Informationspolitik seiner Mitarbeiter gegenüber ihm als Minister sei nicht zu kritisieren.
Wie Jung weiter berichtete, wurde er Anfang Oktober vom damaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan über die Existenz eines Feldjäger-Berichts unterrichtet, der ”nicht vorteilhaft“ für die deutschen Soldaten gewesen sei. Man habe diese Expertise ”nicht unter den Tisch fallen lassen wollen“ und der Nato zur Verfügung gestellt, die seit dem 8. September mit der Erarbeitung eines Berichts über das Bombardement befasst war. Die Nato habe die Studie der Feldjäger dann als bedeutungslos eingestuft.
Der Ex-Minister führte aus, er habe seinen Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei der Amtsübergabe Ende Oktober über die in Kürze zu erwartende Vorlage des Nato-Berichts zum Luftschlag wie auch über Pressemeldungen und Berichte in Kenntnis gesetzt, wonach es bei diesem Angriff möglicherweise zivile Opfer gab. Guttenberg beurteilte das Bombardement Anfang November als ”militärisch angemessen“ und revidierte diese Einschätzung Anfang Dezember mit der Begründung, ihm seien unter der Verantwortung Schneiderhans und des seinerzeitigen Staatssekretärs Peter Wichert Unterlagen wie etwa die Feldjäger-Expertise vorenthalten worden. Guttenberg soll am 22. April vor dem Ausschuss auftreten.
Jung betonte zum Auftakt seiner Befragung, ihm sei es als Verteidigungsminister immer auch darum gegangen, sich vor die Soldaten in Afghanistan zu stellen und sie gegen ungerechtfertigte Kritik in Schutz zu nehmen. In einem Brief an die Staatsanwaltschaft Dresden vom Oktober habe er dargelegt, dass sich seiner Auffassung nach Oberst Klein bei dem Luftschlag im Rahmen der Isaf-Einsatzregeln bewegt habe.
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