Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts, hat in einer öffentlichen Sitzung des Bundestags-Familienausschusses am 18. Oktober 2006 mehr Bildungschancen für Kinder und Jugendliche angemahnt. Der Vorsitzende der Kommission für den 12. Kinder- und Jugendbericht plädierte für einen erweiterten Bildungsbegriff, der Betreuung und Erziehung umfasst. „Bildung, Betreuung und Erziehung müssen als ein Gesamtkonzept verstanden werden“, sagte er.
Die Ausschussvorsitzende, Kerstin Griese, betonte die Bedeutung des neuen Kinder- und Jugendberichtes: „Er ist eine wichtige Grundlage für unsere Arbeit.“
Prof. Rauschenbach stellte die Verbesserung der persönlichen Handlungskompetenz und Befähigung der Menschen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, als wichtiges Ziel heraus. Er unterstrich die Bedeutung der frühen Förderung von Kindern. Bildung müsse so früh wie möglich beginnen und als Chance genutzt werden, um soziale Ungleichheiten abzubauen. „Bildung ist die entscheidende Voraussetzung, damit ökonomische Armut nicht in kulturelle und soziale Armut transferiert wird“, sagte er
Er forderte, Kinder- und Jugendpolitik als eigenständigen Politikbereich und nicht als Anhängsel der Familienpolitik zu begreifen. In der aktuellen Debatte um Kinderrechte gehe es um das Dreiecksverhältnis „Staat, Kinder, Eltern“. Das Aufwachsen von Kindern sei ein Gemeinschaftsprojekt, für das es eine große öffentliche Verantwortung gebe. Entscheidend sei aber auch eine Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz, dies habe eine präventive Funktion. „Eltern müssen besser auf ihre wichtigen Aufgaben vorbereitet werden und erzieherische Fähigkeiten wie viele andere Kompetenzen erlernen“, so Rauschenbach. Familie solle auch als Bildungsinstanz und nicht nur als Erziehungsinstanz gesehen werden.
Weiterhin sei der Ausbau der Kindbetreuungsinfrastruktur notwendig, besonders für die Unter-Dreijährigen. Dies habe Priorität vor einem gebührenfreien Kindergartenjahr, auch wenn dies wünschenswert wäre. Rauschenbach forderte die Kommunen auf, vor Ort für eine bessere Verzahnung der unterschiedlichen Akteure wie Schulen, Kindergärten und Jugendhilfe, zu sorgen. Aber auch über die föderalen Ebenen hinweg müssten alle politisch Verantwortlichen an einen Tisch gebracht werden. Wichtig sei darüber hinaus der qualitative Ausbau der Kindertagesbetreuung, der neben anderen Maßnahmen eine Akademisierung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern erfordere.
Der Jugendforscher lobte die positive politische Entwicklung in den letzten Jahren. Der eingeschlagene Weg zeige in die richtige Richtung. Zudem seien sich alle politischen Parteien weitestgehend einig und auch das Medieninteresse sei enorm gewachsen. Diese Bewegung sollte als Chance genutzt werden.
Ausschussvorsitzende Kerstin Griese bedankte sich herzlich für die Arbeit der Expertenkommission am Kinder- und Jugendbericht. Sie zeigte sich erfreut, dass die Fachleute den Wandel in der Kinder- und Familienpolitik unterstützen. „Die frühe Förderung der Kinder muss unsere besondere Aufmerksamkeit genießen“, sagte Griese. Die Grundlagen hierfür seien bereits in der letzten Wahlperiode mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz gelegt worden, das die Förderung und Betreuung von Unter-Dreijährigen regelt.