Vorabmeldung zu einem Interview in der
nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 24. November
2008)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen
Veröffentlichung –
„Es ist immer ein Geben und Nehmen. Und der Kompromiss ist auf jeden Fall besser, als wenn wir gar keine Erbschaftsteuer mehr hätten“, verteidigt der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) die Neuregelung der Erbschaftsteuer. Er geht davon aus, dass auch der Bundesrat zustimmen wird. Bei einer Großen Koalition sei „einfach nicht mehr zu holen gewesen“, aber nun habe man „eine gute Grundlage geschaffen, auf der wir das Gesetz weiter reformieren können“, meint er für den Fall einer schwarz-gelben Regierung 2009.
Althaus hätte lieber bundesweit niedrigere Freibeträge gehabt, zumal Thüringen ohnehin nur zehn Millionen Euro im Jahr durch die Erbschaftsteuer einnimmt. Den Vorschlag, die Erbschaftsteuer ganz in die Hände der Länder zu geben, findet er gut: „Das wäre klug, dann könnte jedes Land selbst regeln, wie hoch die Freibeträge sind.“ Durch die jetzt beschlossenen höheren Freibeträge sieht er dennoch kein Risiko für ein weiteres Auseinanderklaffen des Wohlstands zwischen West und Ost, weil die Erben im Westen damit bei vergleichsweise höheren Erbschaften besser gestellt sind: „Das ist vielleicht mittelfristig so, aber langfristig wird es eine Angleichung der Verhältnisse geben“, so Althaus
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Das Interview im Wortlaut:
Herr Althaus, die Große Koalition hat sich endlich auf einen Kompromiss bei der Erbschaftsteuer geeinigt. Sind Sie als CDU-Politiker und Thüringer Ministerpräsident damit zufrieden?
Ja, wir können damit leben. Der Kompromiss ist sozial gerecht.
Begeisterung klingt anders.
Es war eben ein Kompromiss. Aber wir konnten wesentliche Forderungen der Union durchsetzen: Wir haben erreicht, dass sowohl Familienunternehmen vollständig von der Erbschaftsteuer befreit werden können als auch die Erben von Wohneigentum.
In welchen Fällen können Häuser steuerfrei vererbt werden?
Wenn Einfamilienhäuser bis zu 1, 5 Millionen Euro wert sind – nach dem Verkehrswert, auch das ist neu. Hinzu kommt, dass sie von den Erben selbst bewohnt werden müssen, und zwar für mindestens zehn Jahre. Und die Wohnfläche darf nicht mehr als 200 Quadratmeter betragen. Außerdem gilt diese komplette Freistellung nur, wenn Kinder oder Ehepartner die Erben sind.
Kinder und Ehepartner sind die klaren Gewinner – wer sind die Verlierer?
In der Tat, für Kinder und Ehepartner verbessert sich die Gesetzeslage auch dann, wenn sie eine Immobilie erben, die sie nicht selbst nutzen: Dann erhöhen sich die Freibeträge für Kinder von 205.000 auf 400.000, für Eheleute sogar von 307.000 auf 500.000 Euro. Zu den Verlierern gehören nahe Verwandte: Für sie gilt ein Freibetrag von 20.000 Euro. Auf alles, was darüber liegt, müssen sie Sätze von 30 bis 50 Prozent zahlen. Aber so ist das bei Kompromissen, es ist immer ein Geben und Nehmen. Und der Kompromiss ist auf jeden Fall besser, als wenn wir gar keine Erbschaftssteuer mehr hätten – das wäre ja der Fall, wenn wir uns nicht bis zum 31. Dezember dieses Jahres einigen.
Ist der Kompromiss nicht eine „Lex Bavaria“, der unter dem Druck der CSU zu Stande kam? Hätten Sie lieber niedrigere Freibeträge gehabt?
Ja. Aber wir mussten eine Lösung finden, mit der alle Bundesländer zufrieden sind – auch Bayern.
Sie sind Ministerpräsident in einem ostdeutschen Bundesland, wo die Menschen im Schnitt deutlich weniger zu vererben haben als im Westen. Wird das ganze Thema „erben“ in Ostdeutschland eigentlich anders diskutiert?
Wir nehmen wenig über die Erbschaftsteuer ein – das sind rund 10 Millionen Euro im Jahr…
… insgesamt sind es 4,2 Milliarden Euro in Deutschland…
…aber wir profitieren natürlich insgesamt von den Einnahmen aufgrund des Länderfinanzausgleichs. Insgesamt ist die Erbschaftsteuer aber nicht das große Thema in Thüringen. Ich sehe dennoch die Notwendigkeit, dieses Thema zu regeln, da auch bei uns in den nächsten Jahren viele Mittelständler ihre Firmen weitergeben.
Und wie wichtig ist das Thema „privates Erbe“?
Ich glaube, wir müssen den Leuten bei uns die Erbschaftsteuer erklären, weil es 40 Jahre lang eine solche Entwicklung nicht gab. Wenn man das tut, haben die Menschen Verständnis dafür, dass es eine Erbschaftsteuer geben muss. Grundsätzlich gibt es in Thüringen, wie überall in Deutschland auch, unterschiedliche Meinungen. Für die SPD-Klientel steht der Aspekt des leistungslosen Einkommens im Vordergrund. Dass der Staat hier eingreift und umverteilt, ist für die Sozialdemokraten eine Frage der Gerechtigkeit. Wir dagegen sind der Meinung: Geld und mit Geld erworbener Besitz, der vererbt werden soll – das ist ja alles schon einmal versteuert worden. Und es geht auch darum, dass man Geld, das vorhanden ist, sichert für den Markt, für die wirtschaftliche Entwicklung. In den Händen der Erben wird es ja auch wieder ertragsfähig, weil diese es investieren und Arbeitsplätze schaffen.
Die Menschen in Ostdeutschland sind im Schnitt ärmer als die Menschen in Westdeutschland. Fürchten Sie, dass dieser Trend durch die höheren Freibeträge noch verstärkt wird?
Das ist vielleicht mittelfristig so, aber langfristig wird es eine Angleichung der Verhältnisse geben. Die Grundlagen für persönlichen, privaten Wohlstand sind ja bereits geschaffen. Natürlich können die ostdeutschen Länder 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht im selben Maße Vermögen aufgebaut haben wie die Menschen in Westdeutschland, die dafür 40 Jahre mehr Zeit hatten. Da gibt es einfach noch Aufholbedarf.
Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen so kurz vor der Landtagswahl von links vorgeworfen wird, für die Reichen Politik zu machen?
Die Linke gewinnt keine neuen Wählerschichten hinzu.
Wieso sind Sie da so sicher? Die Linke hat sich seit 2004 von 26 auf fast 35 Prozent verbessert. Die CDU verlor im gleichen Zeitraum von 43 auf 35 Prozent.
Trotzdem gibt es keine nennenswerte Wählerwanderung von der CDU zu den Linken. Die Frage ist für uns, ob wir unsere bürgerlichen Wählerschichten in Thüringen mobilisieren können, zur Wahl zu gehen.
Wird der Kompromiss auch weiterbestehen, wenn es ab 2009 eine schwarz-gelbe Regierung gibt?
Ich denke ja. Dann haben wir eine andere Ausgangssituation. Mit dem jetzigen Kompromiss, und mehr ist bei einer Großen Koalition einfach nicht zu holen, haben wir immerhin eine gute Grundlage geschaffen, auf der wir das Gesetz weiter reformieren können.
Wie stehen Sie zum dem Vorschlag, die Erbschaftsteuer ganz in die Hände der Länder zu geben? Bisher wird sie ja vom Bund erhoben, aber der Ertrag fließt den Ländern zu.
Die Forderung stammt von uns. Das wäre klug, dann könnte jedes Land selbst regeln, wie hoch die Freibeträge sind. Es gibt auch Länder, die schon mal darüber nachgedacht haben, die Erbschaftsteuer ganz abzuschaffen. Aber das ist nicht konsensfähig, und deshalb macht es auch keinen Sinn, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Für Thüringen würde das auch bedeuten, dass wir deutlich geringere Einnahmen hätten. Denn wir würden ja auch nicht mehr durch den Länderfinanzausgleich von den Bundesländern profitieren, die erhebliche Einnahmen aus der Erbschaftsteuer haben.
Beim Vererben eines Betriebes wird man künftig nur dann von der Erbschaftssteuer befreit, wenn man die Lohnsumme für zehn Jahre konstant hält, also möglichst keine Leute entlässt. Ist so eine Regelung klug, zumal in Zeiten einer beginnenden Wirtschaftskrise?
Ich hätte mir natürlich eine größere Flexibilität gewünscht. Aber die Sozialdemokraten wollten die Arbeitsplatzsicherung – andernfalls hätten wir gar keinen Kompromiss zu Stande gebracht. Zwei Dinge halte ich dennoch für positiv: Es gibt die 1000-Prozent-Regelung, die sich auf den Erhalt der Arbeitsplätze bezieht. Das heißt ja nicht unbedingt, dass keine Leute entlassen werden dürfen, denn die Lohnsummen insgesamt werden über die Jahre steigen.
Ob die Löhne in nächster Zeit steigen, ist doch eher fraglich…
Die Zeiten werden auch wieder besser. Und das zweite positive Element ist, dass die Fallbeilregelung abgewendet werden konnte, die von der SPD gewünscht wurde. Das hätte ja bedeutet, dass ein Unternehmenserbe die komplette Erbschaftsteuer hätte nachzahlen müssen, egal, ob er neun Jahre seine Lohnsumme hält oder nur ein Jahr. Nun haben wir es so geregelt, dass nach fünf oder sechs Jahren ein großer Teil der Summe nicht mehr fällig wird.
Rechnen Sie fest mit einer Mehrheit im Bundesrat? In Bayern beispielsweise ist sich die Koalition noch nicht einig.
Ich gehe von einer Mehrheit im Bundesrat aus.
Das Interview führte Katharina Koufen.