Vorabmeldung zu einem Interview in der
nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 16. November
2009)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen
Veröffentlichung –
Die CSU will sich noch nicht auf eine Steuerreform in dieser Legislaturperiode festlegen. Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon sagte in einem Gespräch mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 16. November), die Dinge müssten schrittweise angegangen werden. „Es gilt jetzt, die Steuerschätzung im Mai 2010, die eine längerfristige Perspektive beinhaltet, und auch die wirtschaftliche Entwicklung Mitte des nächsten Jahres abzuwarten.“ Für die CSU ständen Bürokratieabbau und Steuervereinfachung im Vordergrund. „Alle anderen Maßnahmen können erst im Lichte der Zahlen im Sommer des nächsten Jahres betrachtet werden“, sagte Fahrenschon der Wochenzeitung „Das Parlament“.
Dabei müsse auch der vom Koalitionspartner FDP favorisierte Stufentarif über prüft werden. „Ich mache aus meiner Auffassung keinen Hehl, dass der linear-progressive Einkommensteuertarif das eigentliche Markenzeichen einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Das kann ein Stufentarif nicht leisten“, sagte der bayerische Finanzminister.
Fahrenschon verteidigte das von der Union/FDP-Koalition eingebrachte Wachstumsbeschleunigungsgesetz: „Über steuerliche Anreize werden Wachstumspotenziale entfesselt. Weitere Behinderungen der Unternehmen würden das Wachstum erschweren. Die Stabilisierung der Binnenkonjunktur funktioniert am besten über eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger – insbesondere der Familien mit Kindern.“ In diesem Zusammenhang verteidigte Fahrenschon die geplante Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages. Das sei „konkrete Familien- und Wirtschaftspolitik. Diejenigen, die unsere Gesellschaft tragen, werden besser unterstützt“. Die mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz verbundenen Steuerausfälle hält Fahrenschon für verkraftbar: „Es bleibt trotz des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes unser Ziel für 2010, in Bayern einen allgemeinen Staatshaushalt ohne Neuverschuldung aufzustellen.“
Das Interview im Wortlaut:
Warum gibt es überhaupt ein
Wachstumsbeschleunigungsgesetz, wenn es nach Ansicht des
Sachverständigenrates zur Steigerung des Wachstums „so
gut wie nichts beitragen wird“?
Über
steuerliche Anreize werden Wachstumspotenziale entfesselt. Wir
haben den richtigen Ansatz. Krisenverschärfende Elemente im
Unternehmenssteuerrecht müssen schnellstmöglich beseitigt
werden. Weitere Behinderungen der Unternehmen würden das
Wachstum erschweren. Und: Die Stabilisierung der Binnenkonjunktur
funktioniert am besten über eine Entlastung der
Bürgerinnen und Bürger – insbesondere der Familien
mit Kindern.
Aber laut Statistischem Bundesamt erholt sich die
deutsche Wirtschaft schneller als erwartet. Wenn die Pferde schon
alleine anfangen zu saufen, muss man doch nicht mehr
nachhelfen.
Die Wachstumszahlen sind zwölf
Monate nach dem Stillstand der Weltwirtschaft auf dem Weg zum
Besseren. Aber wir sind noch lange nicht über den Berg. Wir
müssen daher mit klugen und besonnenen Maßnahmen
dafür Sorge tragen, dass der Exportweltmeister Deutschland im
internationalen Standortwettbewerb nach dieser Weltwirtschaftskrise
nicht als Verlierer vom Platz geht. Daher müssen für
Menschen und Unternehmen in Deutschland bessere Perspektiven
geschaffen werden.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sei reine
Klientelpolitik, geißelt die Opposition die Pläne der
Regierung. Ist eine Kindergelderhöhung
Klientelpolitik?
Politik für Familien und Kinder
ist alles andere als Klientelpolitik. Familien und Kinder sind die
Basis unserer Gesellschaft. Deshalb sollte sich jeder gut
überlegen, solche Vorwürfe zu erheben. Der Ansatz, den
Kinderfreibetrag und das Kindergeld zu erhöhen, ist konkrete
Familien- und Wirtschaftspolitik. Diejenigen, die unsere
Gesellschaft tragen, werden besser unterstützt.
Warum dann ausgerechnet eine Mehrwertsteuersenkung
für Hotelübernachtungen? Man hätte auch
Kinderkleidung nehmen können.
Die Absenkung des
Umsatzsteuersatzes bei Beherbergungsleistungen kann nicht isoliert
betrachtet werden. Die Koalition von Union und FDP hat sich
vorgenommen, das komplette System der „normalen“ und
ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf den
Prüfstand zu stellen. Hier hat es in vier Jahrzehnten viele
Entwicklungen gegeben, die heute nicht mehr nachvollziehbar sind.
Andererseits ist festzustellen, dass der damalige
SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eine europarechtliche
Regelung mitgetragen hat, so dass jetzt in den meisten
Nachbarstaaten Deutschlands Beherbergungsleistungen mit einem
ermäßigten Satz besteuert werden. Diesen
Wettbewerbsnachteil der deutschen Hotellerie wollen wir umgehend
beseitigen.
Noch einmal zum Vorwurf der Klientelpolitik: Die
dauerhafte Einführung einer Zinsschranke bei der
Unternehmensteuerreform und andere Maßnahmen bedeuten nach
Ansicht der Opposition nur, dass Unternehmen Gewinne leichter ins
Ausland schaffen und weniger Steuer zahlen müssen. Kann sich
der Staat diese Einnahmeausfälle leisten?
Fakt
ist doch: Wir können uns kein Unternehmenssteuerrecht leisten,
das die Krise verschärft. Und Fakt ist auch, dass wir uns kein
Unternehmenssteuerrecht leisten können, das in
Umstrukturierungs- und Sanierungsfällen zusätzlich
Vermögen vernichtet. Deshalb nehmen wir Veränderungen bei
der Zinsschranke und Verlustverrechnung vor. Es müssen jetzt
Bremsen gelöst werden, damit es zu mehr Wachstum kommt und
Beschäftigung gesichert werden kann.
Sind Sie mit den Korrekturen an der
Erbschaftsteuerreform mit Blick auf die Situation des deutschen
Mittelstands zufrieden?
Wir haben uns mit der FDP
darauf verständigt, die noch von der Großen Koalition
beschlossenen Lohnsummenregelungen abzusenken und die
Behaltensfristen zu verkürzen. Das ist ein wichtiges Signal.
Wir stehen in weiten Teilen des deutschen Mittelstandes vor einem
Generationenwechsel. Es gibt Untersuchungen, wonach in Bayern ein
Viertel der inhabergeführten Betriebe in den nächsten
zehn Jahren vor einem Generationenwechsel steht. Diesen Prozess
müssen wir vernünftig begleiten.
Warum wollen Sie eigentlich bei der Erbschaftsteuer
Geschwister und Neffen bevorzugen?
Geschwister,
Nichten und Neffen mit Fremden gleichzustellen, war der Bruch einer
über 100-jährigen Tradition und ein Zugeständnis an
die Sozialdemokraten, die die Erbschaftsteuer immer als Neidsteuer
betrachtet haben. Die Koalition von Union und FDP nimmt diese
Tradition wieder auf. Es geht dabei auch um Dinge, die unsere
Gesellschaft zusammenhalten, zum Beispiel, wenn eine Tante ihren
Neffen etwas vererben will, oder wenn Schwestern, die sich
gegenseitig gepflegt haben, sich als Erben einsetzen. Das muss sich
im Erbschaftsteuerrecht widerspiegeln.
Ist die von der CSU geforderte teilweise
Regionalisierung von Erbschaftsteuerregelungen mit dieser
Änderung der Reform vom Tisch?
Nein. Die
Erbschaftsteuer steht den Ländern zu. Daher sollten die
Länder auch das Recht erhalten, die unterschiedliche
Wertentwicklung in Deutschland mit eigenen Freibeträgen und
Steuersätzen auszugleichen. Das wäre auch eine
Stärkung des föderalen Wettbewerbs. In der
Koalitionsvereinbarung gibt es dafür einen Arbeitsauftrag.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz soll die bayerische
Staatskasse mit 300 Millionen Euro belasten. Können Sie das
verkraften?
Wir haben die Änderungen im
Unternehmenssteuerrecht und die Entlastung der Familien
ausdrücklich gewollt, um schneller aus der Krise zu kommen.
Daher steht die Bayerische Staatsregierung zu den Plänen der
Koalition der Mitte. Es bleibt trotz des
Wachstumsbeschleunigungsgesetzes unser Ziel für 2010, in
Bayern einen allgemeinen Staatshaushalt ohne Neuverschuldung
aufzustellen. Wir wollen doch schnellstmöglich auf den
Wachstumspfad zurück, auch um zu zusätzlichen Einnahmen
zu kommen. 100.000 neue Arbeitsplätze bedeuten zwei Milliarden
Euro zusätzliche Einnahmen für die öffentliche
Hand.
Im Koalitionsvertrag wird eine große Steuerreform
angekündigt. Wird diese Reform in dieser Legislaturperiode
realisiert werden können?
Die CSU und die
Bayerische Staatsregierung stehen immer für eine Steuerpolitik
mit Augenmaß und Vernunft. Die Dinge müssen schrittweise
angegangen werden. Es gilt jetzt, die Steuerschätzung im Mai
2010, die eine längerfristige Perspektive beinhaltet, und auch
die wirtschaftliche Entwicklung Mitte des nächsten Jahres
abzuwarten. Auf der Basis wird man weiter arbeiten können.
Für uns stehen Bürokratieabbau und Steuervereinfachung im
Vordergrund. Alle anderen Maßnahmen können erst im
Lichte der Zahlen im Sommer des nächsten Jahres betrachtet
werden.
Sie reden jetzt wie Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble.
Es gibt unterschiedliche
Herangehensweisen in der Koalition. Die FDP ist Protagonist eines
Stufentarifs mit drei Stufen, der aber erst im Lichte der weiteren
wirtschaftlichen Entwicklung und auch der Möglichkeiten der
öffentlichen Hand geprüft werden muss.
Aber Sie sind doch kein Freund des
Stufentarifs?
Ich mache aus meiner Auffassung keinen
Hehl, dass der linear-progressive Einkommensteuertarif das
eigentliche Markenzeichen einer Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Das kann ein
Stufentarif nicht leisten.