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Gültig ab: 08.03.2004 00:00
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Ich wollte etwas verändern

Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen
Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen.

Frauen, sagt Irmingard Schewe-Gerigk, haben zu vielen Themen einen eigenen Zugang und können sich auch parteiübergreifend verständigen, um neue Wege zu suchen.

Kann Strafrecht Leben retten? Mit dieser Frage und einigen hervorragenden Beiträgen liberaler Frauen wie Hildegard Hamm-Brücher in der Debatte um den Paragrafen 218 fing Mitte der Siebzigerjahre das Kapitel "Irmingard Schewe-Gerigk und die Politik" an. Die damalige FDP, das war für die heute 55-Jährige die Partei der Bürgerrechte, die Partei, die sich schwer tat, an der Atomkraft festzuhalten - und die Partei, mit der sie sich schnell identifizierte. "Ich wurde - vielleicht auch weil ich gerade ein mittelständisches Unternehmen mitgegründet hatte - von Anfang an ernst genommen." Dass es nur wenige Frauen dort gab, hat sie nicht "als etwas Besonderes wahrgenommen".

Ihr erster Einstieg: die Kommunalpolitik - "denn ich wollte etwas verändern". Zum Beispiel die Kindergartenöffnungszeiten von 8 bis 12 Uhr und dann nachmittags noch mal. "Welche berufstätige Frau kann ihr Kind um 12 Uhr bereits abholen?" Ihr erster Antrag wurde von der Mehrheit abgelehnt; meist Männer. Und sie begriff: Frauen haben einen anderen Zugang zu diesen Themen, mit ihnen kann man auch parteiübergreifend reden, sich verständigen, und dann einen neuen Anlauf mit vielleicht mehr Erfolg unternehmen. Heute sind längere Öffnungszeiten in Kindertagesstätten eine Selbstverständlichkeit.

Die Wende der FDP zur CDU/CSU machte Schewe-Gerigk, inzwischen FDP-Kreisvorstandsmitglied, 1982 nicht mit. Der folgende Versuch, mit politisch Gleichgesinnten die "Liberalen Demokraten" zu etablieren, scheiterte. 1984 fand sie bei den Grünen eine neue politische Heimat. Zehn Jahre lang war sie Kreistagsabgeordnete. Auch ihre berufliche Entwicklung kam in Gang: Redakteurin, Hochschulfrauenbeauftragte, Regierungsangestellte im nordrhein-westfälischen Gleichstellungsministerium. Der zwischenzeitliche Versuch, für den Landtag in Düsseldorf zu kandidieren, verlief im Sande. Irmingard Schewe- Gerigk war auf Landesebene, also dort, wo die Wahllisten aufgestellt werden, noch kein Begriff. "Beruf, Kinder, Kommunalpolitik - da bleibt nicht so viel Zeit, um auch auf Landesebene bekannter zu werden."

„Frauen im Bundestag - wir sind noch nicht genug. Die Welt ist erst in Ordnung, wenn das Verhältnis der Parlamentarierinnen zu den Parlamentariern dem der Wählerinnen zu den Wählern entspricht“

Das wandelte sich spätestens mit ihrer Funktion als Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Frauenpolitik. Und so klappte es 1994 sogar mit der nötigen Unterstützung für den Bundestag: Platz fünf auf der Landesliste - und drin. Erst ein Jahrzehnt ist das her, und obwohl die Grünen-Frauen im Bundestag schon zuvor viel Boden bereitet hätten, habe sie damals doch noch ein sehr provokantes Männer-Frauen-Klima gespürt. Etwa beim Thema "Vergewaltigung in der Ehe". Die Zeiten ändern sich: Heute könne jede Frau im Plenum über jedes Thema reden, ohne mit anzüglichen Zwischenrufen klarkommen zu müssen. Schewe-Gerigk weiß, wovon sie spricht - unter anderem als frauenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und als Mitglied im Rechtsausschuss und im Ältestenrat des Bundestages.

Mit der Erfahrung von zehn Parlamentsjahren - machen Frauen eine andere Politik als Männer? "Nicht wirklich", ist Schewe-Gerigks erste Antwort. Wenn Frauen Karriere machten, legten sie mehr oder weniger automatisch ein eher männliches Verhalten an den Tag. Die aktuelle Doppel- Frauen-Spitze in der Fraktion werde manchmal unterschätzt. "Da gibt es mehr leise Töne, aber diese sind häufig effektiver." Frauen verfolgten oft andere Durchsetzungsstrategien, konkurrierten mehr um Positionen, statt in kleinen Runden zu kungeln. Kurz: "Frauen kämpfen meist mehr um Anerkennung, Männer mehr um Macht."

Aber Frauen und Männer können sich auch gut ergänzen. "Ich werde von meinem Ehemann stark entlastet." Indem er sich etwa mehr um ihre beiden Kinder kümmerte. Aber wenn sie am Freitag nach Hause kommt, geht es erst einmal stets um Politik. Schließlich ist ihr Mann der Kommunalpolitik treu geblieben. Da wo für sie vor drei Jahrzehnten alles anfing.

irmingard.schewe-gerigk@bundestag.de
www.schewe-gerigk.de

Text: Gregor Mayntz
Fotos: Deutscher Bundestag


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