Ist unser Wohlstand sozial und ökologisch verantwortbar? Wie können wir die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen verändern, um sowohl die erschreckende Armut in den Ländern des Südens zu überwinden als auch die Weichen für akzeptable Lebensbedingungen unserer Nachkommen zu stellen?
Fest steht, dass die Plünderung der Naturressourcen durch die Menschheit seit Mitte der 70er-Jahre bedrohliche Ausmaße angenommen hat. Es wird zunehmend mehr Naturkapital verbraucht, als sich neu bilden kann. Nur die Realisierung eines Konzeptes der Nachhaltigkeit ist geeignet, diese Entwicklung aufzuhalten, stellen die Autoren des Berichts "Sustainability Creates New Prosperity", zu deutsch: "Nachhaltigkeit schafft neuen Wohlstand" fest.
Der Bericht, der jetzt sowohl in deutscher als auch in englischer Fassung vorliegt, wurde von dem in Wien ansässigen Europäischen Forum für Nachhaltigkeit des European Support Centre des Club of Rome herausgegeben. Der Club of Rome hatte bereits 1972 mit dem Bericht "Die Grenzen des Wachstums" von Dennis Meadow die Diskussion über die Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen durch eine ressourcenfressende, nicht zukunftsfähige Wirtschaftsweise in die breite Öffentlichkeit gebracht.
Kernaussage des Wiener Berichts: Die globalen negativen Trends müssen gestoppt werden. Während ein US-Amerikaner pro Jahr gut 20 Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids verbraucht und damit die Atmosphäre erheblich aufheizt, "schafft" ein Bürger des afrikanischen Staates Sierra Leone gerade einmal 100 Kilogramm im Jahr. Der US-Bürger kann sich auf eine durchschnittliche Lebenserwartung von 78 Jahren freuen, während in Sierra Leone die Lebenserwartung im Durchschnitt bei 37 Jahren liegt.
Die Kindersterblichkeit in vielen Staaten Afrikas ist erschreckend hoch, nicht zuletzt weil Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. "Das Potenzial für Konflikte zwischen Besitzenden und Habenichtsen wird solange vorhanden sein, solange nicht gerechter und dauerhafter Wohlstand für alle gewährleistet ist", erklärt der ehemalige Bundesumweltminister und heutige Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, in der Einleitung des Berichts. Sein Kollege Uwe Möller, Direktor des Club of Rome, und Club-Mitglied Ernst Ulrich von Weizsäcker sind sich einig, dass "eine nicht nachhaltige Wirtschaft auch unseren Wohlstand auffrisst", wenn nicht zumindest die Effizienz der Ressourcennutzung ganz erheblich gesteigert wird.
Die notwendige Wende zu einer nachhaltigen Entwicklung hat vielfältige Dimensionen, die der Bericht dank der Beiträge seiner hochkarätigen Autoren in ihrer ganzen Bandbreite verdeutlichen kann. Einer der ausschlaggebenden Faktoren für die globale Umweltentwicklung ist die demographische Entwicklung, meint der Bevölkerungswissenschaftler Josef Schmid. Während die Älteren bis 2025 circa 30 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen werden, werden durch den Geburtenboom in den Entwicklungsländern 38 Millionen neue Arbeitsplätze nötig sein.
Die Ärmsten der Armen zerstören ihre Naturbasis aufgrund ökonomischer Mängel, während wir unser nicht nachhaltiges Wirtschaftsmodell auf Kosten unserer Nachkommen pflegen. Ein weiterer Faktor ist, so der Klimaforscher Helmut Graßl, die Klimaerwärmung, die - soweit anthropogen verursacht - nur durch eine Wende zu einer Energieversorgung aus erneuerbaren Energien positiv zu beeinflussen ist.
Die politische Verantwortung auf dem Weg zum nachhaltigen Wohlstand steht im Mittelpunkt des Buches. Der Umweltwissenschaftler Franz Josef Radermacher sieht die zukünftige Lösung in einem adäquaten weltweiten Ordnungssystem wie es im Modell der ökosozialen Marktwirtschaft verwirklicht werden könnte. Er skizziert einen Welt-Marshallplan als politische Strategie, um der Plünderung der natürlichen Ressourcen wirksam zu begrenzen und um die soziale Frage zu lösen.
Der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich, Josef Riegler, setzt dabei auf die Entwicklung eines leistungsfähigen "Global Governance Systems" auf Basis der ökosozialen Marktwirtschaft. Denn der Markt sei der Motor der Nachhaltigkeit; er müsse allerdings von der Respektierung sozialer, ökologischer und von Menschenrechtsstandards und einer entsprechenden fairen Finanzierung begleitet werden, damit eine zukunftsfähige Entwicklung weltweit durchgesetzt werden könne. Auch für Petra Gruber, Leiterin des Instituts für Friede, Umwelt und Entwicklung Wien, geht es bei Good Governance nicht um eine Art Weltregierung oder Weltordnungspolitik, sondern um eine Beteiligung aller Gesellschaften an der politischen Steuerung, aber auch um eine notwendige Beachtung der "intrinsic values", also des Wertes der Natur an sich.
Die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Voraussetzungen für einen nachhaltigen Wohlstand werden von Orio Giarini, Patrick Liedtke, und Walter Stahel analysiert. Sie schlagen eine alternative Berechnung des Wohlstandes einer Nation vor, die auch den Umweltverbrauch einbezieht.
Kapitel über die Grundrechte auf Nahrung (Michael Windfuhr) und Altersversorgung (Bert Rürup) sowie über die Verantwortung des Einzelnen (Hans Küng) beleuchten nicht nur den sozialen, sondern auch den philosophischen Standpunkt des Konzeptes der Nachhaltigkeit. Die Verantwortung für eine Umsteuerung in Richtung Nachhaltigkeit liege zwar bei der Politik, meint Herausgeberin Karin Feiler; "aber daraus ergibt sich ein Signal, dass sich niemand aus der Verantwortung stehlen kann."
Karin Feiler (Hrsg.)
Nachhaltigkeit schafft neuen Wohlstand.
Bericht an den Club of Rome. Wien 2003.
Verlag Peter Lang, Frankfurt/M. 2004; 283 S., 19,80 Euro