Flächennutzungspläne einsehen und Angebote abgeben, Ratsversammlungen besuchen und Petitionen einreichen, Auto ummelden und Mülltonne bestellen: All das sollen Unternehmen und Bürger einmal online erledigen können, wenn es nach dem Willen der Kommunen geht. Doch in welchem Maße sind sie wirklich schon vernetzt?
Im Sommer 2003 beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz die "Strategie DeutschlandOnline". Bürger sollen bis 2005 mit jeder Behörde auf elektronischem Wege kommunizieren können, untereinander sollen alle Behörden ab Ende 2007 kommunizieren können. 2008 schließlich sollen alle geeigneten Verwaltungsverfahren online bereitstehen. Die Kommunen konnten in den vergangenen Jahren bereits deutliche Fortschritte erzielen: Inzwischen gibt es in den allermeisten Städten und Gemeinden umfangreiche Informationsangebote. Viele Formulare sind im Netz verfügbar, zahlreiche Behörden sind per E-Mail erreichbar. Komplette Online-Transaktionen sind hingegen noch selten. Hier ist nicht nur eine komplexe Technik, sondern auch die Abstimmung über mehrere Verwaltungsebenen hinweg gefordert. Zwar gibt es bereits einige Entwicklungen aus Pilotprojekten, doch der flächendeckende Roll-Out lässt noch auf sich warten.
Professor Herbert Kubicek von der Universität Bremen weist darauf hin, dass Deutschland "im internationalen Vergleich von E-Government-Lösungen regelmäßig relativ schlecht abschneidet". Wo integrative, Behörden übergreifende Lösungen gefragt seien, wären andere Staaten sehr viel weiter. Busso Grabow vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) hingegen meint, dass sich gutes E-Government nur an bestimmten Zielvorstellungen wie Sicherheit, Wirtschaftlichkeit oder Bürgerbeteiligung messen lasse. Er hält das schlechte Abschneiden Deutschlands in den Benchmarking-Studien für teilweise unbegründet, da bestimmte Dienstleistungen von den Studien gar nicht erfasst werden: "Je nachdem wo man guckt, findet man andere Vorreiter."
Im Bereich der Bürgerbeteiligung etwa ist Deutschland nicht so weit wie Frankreich und Finnland, die komplette Integration von E-Government haben die USA und Großbritannien schneller gelöst. Nach einer Untersuchung des Difu nimmt Deutschland gemessen an zehn Erfolgsfaktoren wie Strategie, Organisation, Nutzen und Kosten und Rechtmäßigkeit allerdings gemeinsam mit den USA, Großbritannien und Finnland international sogar eine Spitzenposition ein. Gleichwohl ist in der Bundesrepublik der Abstand einiger weniger Vorreiterkommunen zum Landesdurchschnitt noch relativ groß.
Deutschland hat seinen Entwicklungsschwerpunkt zunächst auf den Bereich Sicherheit gelegt. Busso Grabow räumt ein: "Das hat zwar zunächst andere Entwicklungen verzögert, doch viele Länder orientieren sich nun in diesem Bereich nach Deutschland, da man Sicherheit bei der Abwicklung sicherer, rechtsverbindlicher Dienste zwischen Verwaltung und Büger braucht." Derzeit gebe es zwar noch "keine vernünftige Anwendungssituation" zwischen Bürger und Verwaltung, doch zwischen Unternehmen und Verwaltung gebe es einige Anwendungsfälle. In der Media@komm-Stadt Bremen wurden jedoch bereits bis Herbst 2003 50.000 Signaturtransaktion durchgeführt, davon 48.500 im Business-Bereich. Die meisten Transaktionen entfielen auf Online-Mahnverfahren. Grabow: "Für jeden Rechtsanwalt und Notar ist das Online-Mahnverfahren ein Massenverfahren, das den Postweg und damit Zeitverzögerungen ausschaltet." Im Frühjahr 2003 standen den Nutzern in den Media@Komm-Städten Bremen, Esslingen und im Städteverbund Nürnberg insgesamt rund 150 signierfähige Anwendungen zur Verfügung. Außerhalb von Media@Komm finden sich hingegen nur ein gutes Dutzend Praxisbeispiele für die Anwendung der elektronischen Signatur.
Konkret konnten in Bremen durch die Einführung des Online-Mahnverfahrens im Amtsgericht 60 Prozent der Personalkapazitäten eingespart werden. Von der elektronischen Verfahrensabwicklung sowie des elektronischen Austauschs mit anderen Behörden versprechen sich die Kommunen in Zeiten knapper Kassen neben einer gesteigerten Produktivität vor allem Kosteneinsparungen und höhere wirtschaftlicher Leistungserstellung. Umfassende Wirtschaftlichkeitsberechnungen gibt es zwar nicht, jedoch selektive Rechnungen und Abschätzungen. Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindebund prognostiziert etwa, dass durch konsequente Vernetzung und die Bereitstellung von Services im Netz bis zum Jahre 2010 bis zu 20 Prozent der Kosten eingespart werden könnten. Das Einsparungspotenzial ist groß, denn immerhin geben die Kommunen mit ihren 1,5 Millionen Mitarbeitern jährlich mehr als 70 Milliarden Euro für Personal- und Sachkosten aus.
Im Bereich der elektronischen Beschaffung gehen Experten davon aus, dass der Staat zwischen fünf und zehn Prozent einsparen kann. Aber auch die Firmen sollen sparen können: Im Schnitt kostet der Bezug von Vergabeunterlagen zwischen 30 und 150 Euro. Online sollen die Firmen nur einmalig ähnlich hohe Kosten für die Signaturkarte und das Kartenlesegerät aufbringen. Nach Informationen des IT-Branchenverbandes Bitkom informieren sich jedoch erst 30 Prozent der Unternehmen über Online-Medien, 45 Prozent der mittelständischen Unternehmen greifen "bei der Suche" nach öffentlichen Aufträgen auf neue Informationskanäle zurück. "Die Bieter nutzen doch lieber weiter die herkömmlichen schriftlichen Verfahren, weil sie die Vorteile der elektronischen Beschaffung nicht erkennen oder ihnen diese nicht ausreichen", sagt Bitkom-Experte Pablo Mentzinis: "Intelligente Lösungen wie Plausibilitätstests oder zentrale Formularserver können sowohl für die Unternehmen als auch für die öffentliche Hand deutliche Erleichterungen bringen."
Kommunen können E-Government auch als eine Art Standortmarketing begreifen, wenn sie online ihre spezifischen Stärken herausstellen. So erlaubt etwa die Website der Wirtschaftsregion Fulda Unternehmen, online geeignete Gewerbeflächen auszusuchen - nach den Kriterien Preis, Fläche und Entfernung zur Autobahn. Die Website von Neubrandenburg hat mit geografischen Karten freie Flächen und Gewerbegebiete in Detailkarten ebenfalls strukturiert und informativ aufbereitet. Das Angebot der Wirtschaftsförderung Bad Wildung hingegen bietet umfangreiche Informationen zur Wirtschaftsförderung und -beratung.
E-Government kann aber auch mehr E-Demokratie bedeuten: Wird das virtuelle Rathaus nicht nur zur Informationsvermittlung, sondern auch für die elektronisch unterstützte Willensbildung und Meinungsäußerung genutzt, sorgt dies für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. Die Teilhabe am kommunalen Leben via Internet kann informell über Chats, Foren oder Umfragen zu aktuellen kommunalen Themen laufen. Praktisch keine Rolle spielen Online-Wahlen. Die Stadt Dortmund etwa hat ein städtisches Call-Center eingerichtet und ermöglicht eine Bürgerbeteiligung in mehr als 100 Projekten, vom Flächennutzungsplan über die Freiwilligenagentur bis hin zur Familienpolitik.
Eine im Oktober 2004 veröffentlichte Studie zur elektronischen Bürgerbeteiligung zeigt, dass fast alle großen Kommunen ihre Bürger per Internet an Entscheidungen beteiligen. Allerdings stellte sie auch fest, dass zwar vielerorts Meinungen abgefragt werden, diese jedoch oft ungehört im politischen Prozess verpuffen. Solche "Schein-Beteiligung" verstärke jedoch die zunehmende Enttäuschung von der Politik, warnten die Verfasser der Studie, darunter das Fraunhofer E-Government-Zentrum und das Internetportal politik-digital.de. Für Helmut Drüke vom Difu steht fest: "Deutschland steht beim kommunalen E-Government erst am Beginn des Weges." Es müsse dringend konsequent auf den elektronischen Geschäftsverkehr umstellen und dabei eine große Anzahl von Nutzern beteiligen. Denn nur mit einer kritischen Masse können Effizienzgewinne erzielt werden. Und erst wenn sich die Umstellung auf elektronische Workflows rechnet, können auch Projekte der elektronischen Beteiligung finanziert werden.
Die Autorin ist freie Fachautorin und Hochschuldozentin in Bonn.
www.wirtschaftsregionfulda.de; http://neubrandenburg.de; www.win-bad-wildungen.de