Wer sich in Deutschland mit Kommunalpolitik beschäftigt, hat einen schweren Stand: Stadt- oder Gemeinderäte, die oft viele Stunden ihrer Freizeit opfern, werden selten durch einen hohen Bekanntheitsgrad belohnt, von breiter Anerkennung für ihre ehrenamtlichen Dienste ganz zu schweigen; auch die Beteiligung bei Kommunalwahlen fällt meist deutlich ab gegenüber Bundes- und Landtagswahlen. Politologen, die sich wissenschaftlich dieser "untersten" Ebene der Politik nähern, werden häufig von ihren Kollegen ebenso niedrig angesehen. Und die großen meinungsbildenden Zeitungen räumen der Kommunalpolitik vergleichsweise wenig Raum ein.
Wie prekär die finanzielle Lage der meisten Städte und Gemeinden inzwischen ist, lässt sich schon daran erkennen, wie häufig sie in dieser Themenausgabe aufgegriffen wird. Zwar ist Geld in der Politik fast immer der Punkt, um den sich letztlich alles dreht. Es ist aber trotzdem auffallend, wie häufig in den Artikeln dieser Ausgabe von Ansprüchen die Rede ist, die letztlich nur noch schwer oder gar nicht mehr umgesetzt werden können. Das liegt daran, dass in vielen Städten und Gemeinden Leistungen und Angebote reduziert wurden und werden - dass also gekürzt wird, bereits bestehende Erwartungen enttäuscht werden und der Verteilungskampf ausbricht.
Die Bürgerinnen und Bürger bekommen die Auswirkungen der leeren Kassen unmittelbar zu spüren, und das meist schneller als die - häufig als Reformen vermittelten - Kürzungen, die auf bundespolitischer Ebene beschlossen werden. Schlag- löcher, die lange nicht geflickt werden, Schwimmbäder und Theater, die schließen müssen, Kindergärten, die teuerer werden, Beratungsstellen, die mit drastisch reduzierten Personalbestand arbeiten müssen - die Folgen des Geldmangels sind allzu häufig allzu deutlich sichtbar. Selbst vermeintlich reiche Kommunen haben inzwischen lernen müssen, mit Haushaltssperren umzugehen.
Die eingangs erwähnte Nischenposition der Kommunalpolitik ist also umso erstaunlicher, als alle Bürger in Deutschland davon betroffen sind. Jeder lebt in einer Gemeinde oder einer Stadt, und das auf bundespolitischer Ebene erfolgreiche Alibi, die schlechte Situation jeweils jener politischen Position in die Schuhe zu schieben, der man selbst nicht anhängt, funktioniert auf kommunaler Ebene nicht. Zum einen, weil eine arme Stadt keinem ihrer Einwohner attraktiv erscheint und letztlich alle betrifft; zum anderen, weil kommunalpolitische Entscheidungsprozesse wesentlich stärker konsensorientiert ablaufen; auch die durch die Direktwahl gestärkten Bürgermeister sehen sich selbst weniger als Vertreter ihrer Partei oder politischen Gruppe, sondern wirklich als Repräsentant aller Bürger.
Das ist auch notwendig. Viel wird in Zukunft davon abhängen, ob es den Kommunen gelingt, ihre Bürger zur Eigeninitiative zu motivieren und möglichst viele einzubinden. Es wird entscheidend sein für die Attraktivität einer Gemeinde, wie viele bisher kommunale Aufgaben von ihren Einwohnern übernommen werden - sei es privat, als Verein, als Initiative oder auch als kleines Unternehmen. Denn letztlich ist eine der wenigen angenehmen Seiten der bisweilen dramatischen Finanzlage der Kommunen, dass deren Geldproblem so rational formulierbar ist: Wo nichts mehr ist, gibt es auch nichts mehr zu verteilen. Bleibt der Blick nach vorn und die Suche nach Antworten auf die Frage: Was kann getan werden?
Diese Themenausgabe bietet keine Patentlösungen. Abgesehen davon, dass es solche nicht gibt, weisen Städte und Gemeinden neben vielen Gemeinsamkeiten unzählige Unterschiede auf, die beachtet werden müssen. Aber sie zeigt einige Richtungen auf, in die sich die Kommunen entwickeln könnten. Und sie stellt einige Beispiele vor von Städten und Gemeinden, die neue Ansätze gewagt und damit viel gewonnen haben.
Der Autor arbeitet als Journalist in Berlin.