Die so genannten Kiffer machen Psychiatern und Therapeuten Kopfzerbrechen. "Wir haben seit Mitte der 90er-Jahre immer mehr psychotische Cannabis-Konsumenten in den Psychiatrien", sagte Oliver Bilke, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Berliner Vivantes Humboldt Klinikum. Betroffen seien vor allem Früheinsteiger, "also Jugendliche, die bereits mit 13 regelmäßig kiffen".
Erstkonsumenten von Cannabisprodukten werden immer jünger. Gleichzeitig werden die Züchtungen der als "Gras" oder "Dope" bezeichneten Blüten und das Harz der indischen Hanfpflanze Cannabis Sativa in ihrer Wirksamkeit immer stärker. Auch die Anzahl von Cannabiskonsumenten generell steigt. Laut der "Schülerstudie" der Bundesdrogenbeauftragen geben 33 Prozent aller Schüler an, schon einmal eine illegale Droge probiert zu haben. Bei 31 Prozent davon hieß die Droge Cannabis. Im Jahr davor ergaben die Befragungen in beiden Fällen satte sieben Prozentpunkte weniger.
Es sind verschiedene Faktoren, die den Cannabis-Boom begünstigen. Einerseits die räumliche Nähe zu den Niederlanden, wo eine Toleranzpolitik gegenüber so genannten "weichen Drogen" gefahren wird. Auch hierzulande ist die juristische Handhabung entschärft geworden: Bei Besitz von geringen Mengen Haschisch oder Marihuana empfehlen die Bundesländer, von einer Strafverfolgung abzusehen. Dazu kommt der relativ geringe Preis von rund fünf bis zehn Euro pro Gramm, eine Menge, mit der Durchschnittsnutzer mehrere Abende bestreiten können. Im öffentlichen Raum wird das Kiffen zusehends toleriert, etwa auf der Straße oder bei Rockkonzerten. In Großstädten wie Hamburg und Berlin ist es sogar üblich, dass in Szenekneipen Joints geraucht werden. Flankiert wird der Cannabis-Boom von einer Jugendkultur mit Vorbildern und Symbolen, die am selben Strang ziehen.
Problematisch ist noch ein anderer Konsumtrend, der im Zuge der Partydrogen aufgekommen ist: "Polytoxikomanie", das Bedürfnis, verschiedene Drogen zusammen zu konsumieren, um deren Wirkung zu verstärken oder zu modulieren. Nimmt ein Partygänger beispielsweise Ecstasy ein, dehnt sich der Konsum im Laufe des Abends fast zwangsläufig auf andere Drogen aus. Es wird Alkohol getrunken, dessen Wirkung unter dem Einfluss der Droge kaum mehr eingeschätzt werden kann. Im Extremfall wird dazu gekifft und vielleicht auch noch Kokain geschnupft.
Das zeigt, dass Wirkungsweisen, Gefahren und Konsummuster nicht voneinander abgekoppelt betrachtet werden können. Dabei spielen Zigaretten, Alkohol und Cannabis die Hauptrolle, dazu kommen Partydrogen wie Ectstasy und Amphetamine. LSD und Opiate hingegen sind auf dem Rückzug. Letzteren Trend bestätigt der Drogenbericht 2004 der Bundesregierung, der einen signifikanten Rückgang von Drogentoten verzeichnet. Danach starben im Jahr 2003 infolge von Drogenkonsum 1.477 Menschen. Das ist der niedrigste Stand seit 1989.
Diese Tendenz ist einerseits darauf zurückzuführen, dass Heroinabhängige medizinisch und sozial immer besser betreut werden. Bewährt hat sich die Substitution von Heroinkranken mit Ersatzstoffen wie Methadon oder Polamidon. Seit das Programm 1989 ins Leben gerufen wurde, haben es fast 6.000 Heroinabhängige durchlaufen. 25 Prozent davon haben den Absprung von der Droge endgültig geschafft. Zusätzlich erlauben so genannte Druckräume in deutschen Großstädten Abhängigen den Heroinkonsum unter medizinischer Aufsicht. Ein Modellversuch, der die Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige testet, läuft zurzeit.
Trotz stark sinkender Heroinpreise fällt auch die Zahl von Erstkonsumenten. Opiate wie Morphium oder Heroin sind in hierzulande aus der Mode geraten. Mit einer Ausnahme: Aus der Gruppe von Spätaussiedlern stammen inzwischen rund zehn Prozent der Drogentoten. Polizeischätzungen zufolge waren rund 20 Prozent davon bereits in ihrem Herkunftsland heroinabhängig. Der gegenläufige Trend zeugt von differierenden Drogenkonsummustern in der ehemaligen Sowjetunion und der prekären sozialen Verfasstheit der Gruppe.
Wollte man Cannabis als Modedroge bezeichnen, so handelt es sich dennoch dabei um einen Klassiker - gemessen an der Bedeutung der in den 90er-Jahren aufgekommenen Partydrogen. Diese Substanzen werden meist als Tabletten oder in Kapseln konsumiert. Ob als MDMA (Ecstasy), als PSP (Angeldust) oder als Amphetamine - die Partydrogen haben sich aus der Ära der Love Parade unbeschadet in das neue Jahrtausend herübergerettet.
6,3 Prozent aller 18 bis 24-Jährigen in Deutschland geben an, schon einmal im Leben Ecstasy konsumiert zu haben. 2,1 Prozent in dieser Altergruppe haben sogar in den letzten zwölf Monaten Ecstasy genommen. Im Bannkreis von Ecstasy sind so genannte Designerdrogen auf dem Vormarsch, die neuartige Wirkstoffe enthalten. Damit versuchen die Produzenten das Betäubungsmittelgesetz zu umgehen. Dazu gehört die Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB), auch Liquid Ecstasy genannt, die erst 2002 verboten wurde.
In den Clubs und Diskotheken der Großstädte sind florierende Pillenhandel entstanden. Dabei besteht die Gefahr stark schwankender Dosierungen sowie von Beimischungen, zum Beispiel von Designerdrogen. Interessant macht Ecstasy in der Partyszene die angenehm empfundene Kombination aus euphorisierender, aufputschender und leicht halluzinogener Wirkung, die im Gegensatz zu LSD selten in Angst oder Wahnvorstellungen umschlägt. Außerdem, wie bei Cannabis, der geringe Preis. Für eine Ecstasy-Tablette zahlt man zurzeit um die 15 Euro. Der Rausch lässt sich kaum verlängern oder verstärken. Denn werden während der Wirkzeit der "Entaktogene", zu denen MDMA gehört, weitere Dosen eingenommen, baut sich eine körpereigene Toleranz auf. Die Wirkung verpufft. Daher setzen sich viele Konsumenten leichtfertig einer Mischintoxikation aus: Sie nehmen zu Ecstasy viel Alkohol, aber auch Cannabis, Amphetamine (Speed) oder Kokain ein.
Kokain war in den 80er-Jahren die Modedroge der Reichen, Amphetamin (Speed) die der Armen. Das ist heute ähnlich, allerdings hat sich Amphetamin analog der gesellschaftlichen Entwicklung ein größeres Territorium erobert. So ist es kaum verwunderlich, dass seit einigen Jahren der Konsum von Kokain kaum ansteigt (rund fünf Prozent der jungen Erwachsenen haben Erfahrung damit), der von Speed jedoch massiv. Haben im Jahr 2000 noch 4,7 Prozent aller jungen Westdeutschen und 3,8 Prozent Ostdeutschen einmal im Leben Speed genommen, waren es 2004 schon 5,5 Prozent im Westen und 4,7 im Osten. Amphetamin ist eine typische Droge, die exzessiven Mischkonsum fördert, vor allem von Alkohol, zumal "Speeder" das Gefühl haben, nicht mehr betrunken zu werden.
Amphetamin - in Süd- und Ostddeutschland auch Metamphetamine ("Crystal") - wird vor allem in sozial schwächeren Schichten konsumiert, aber man kann beobachten, dass es unter Akademikern populärer wird. In diesen Kreisen war früher Kokain die Wachmacherdroge, doch es bleibt trotz Preisverfalls mit rund 70 Euro pro Gramm für viele unerschwinglich. Kokain ist trotz vergleichsweise schwacher Wirkung eine Droge mit ungeheurem Suchtpotenzial. In potenzierter Form finden sich diese Eigenschaften im höchst gefährlichen Kokain-Derivat Crack wieder, das in Europa eine untergeordnete Rolle spielt.
Die Hippie-Droge Nummer Eins, LSD, ist wegen ihrer unkontrollierbaren Wirkung in Verruf geraten. Im Gegenzug entsteht eine neue Szene rund um halluzinogen wirkende Pilze. Seit 2000 ist die Anzahl der 18- bis 34-Jährigen, die schon einmal Drogenpilze ("Magic Mushrooms") konsumiert haben, von rund drei auf über fünf Prozent gestiegen. Damit haben Pilze fast die Bedeutung von Ecstasy erlangt. Zwar war es in ländlichen Regionen in gewissen Kreisen schon länger üblich, sich auf die Suche nach dem in unseren Breiten wachsenden Spitzkegeligen Kahlkopf zu machen, der das halluzinogen wirkende Psilocybin enthält. Mittlerweile werden jedoch Sets zur Aufzucht von mexikanischen Drogenpilzen als "Growboxes" im Internet angeboten. Die Händler versuchen die juristische Grauzone um die nur im Fall eines "Missbrauchs" verbotenen Pilze auszunutzen.
Das wachsende Interesse an Pilzen geht einher mit einem allgemeinen Trend zum Konsum von Naturdrogen wie dem (noch) legalen "Wahrsagesalbei" Salvia Divinorum oder von ätherischen Ölen, die rauschähnliche Wirkungen erzeugen sollen und von Spezialfirmen meist über das Internet vertrieben werden. Geschichten über absonderliche Konsumtrends sollten nicht allzu ernst genommen werden. Dazu gehört vor allem die Aga-Kröte, die ihre halluzinogene Wirkung vor allem in sensationistischer TV-Berichterstattung demonstriert. Um das Sekret der Kröte aufzunehmen, muss man an dem Tier lecken. Kein Wunder also, dass diese Form von Drogenkonsum allenfalls in Einzelfällen praktiziert wird.
Der Autor arbeitet als Journalist in Berlin.