In Europa herrscht beim Thema Feinstaub buchstäblich "dicke Luft": Die Nichtumsetzung der Feinstaubrichtlinie in einigen Ländern hat zu einer europaweiten Diskussion über den Ausstoß von Feinstaubpartikeln geführt. Während die Befürworter der Richtlinie das Gesundheitsargument anführen, sehen ihre Gegner die Verordnung aus Brüssel als Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung.
Die EU-Kommission lehnt eine Änderung der Richtlinie weiter ab. "Es lohnt sich überhaupt nicht darüber zu reden", sagte der deutsche EU-Industriekommissar Günter Verheugen Ende März in Berlin. Damit erteilte er entsprechenden Forderungen aus der Wirtschaft, die eine Änderung der Grenzwerte gefordert hatten, eine klare Absage. Die deutschen Städte hätten seit 1999 Zeit gehabt, sich auf die Situation vorzubereiten, so Verheugen. Gleichzeitig warnte der EU-Kommissar vor Hysterie in dieser Frage und schlug für eine bessere Umsetzung der Richtlinie verkehrseinschränkende oder -regulierende Maßnahmen vor.
In Brüssel und Straßburg steht das Thema Feinstaub schon seit langem auf der politischen Agenda. Bereits im Jahr 1996 hatte die EU eine Rahmenrichtlinie zur Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität verabschiedet - drei Jahre später folgte eine Einzelrichtlinie, bei der besondere Grenzwerte für Feinstaubpartikel festgelegt wurden. Am 1. Januar 2005 traten die Grenzwerte für Stickstoffoxyd, Schwefeldioxid und Blei verbindlich in Kraft, nur Stickstoffoxyd erhielt eine Frist bis 2010. Feinstaub wird vor allem bei der Verbrennung von Diesel und Benzin in Autos sowie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe in Kraftwerken und in der Industrie freigesetzt. Die winzigen Partikel gelten als besonders gesundheitsschädlich, weil sie sehr tief in die Lunge eindringen können. Die Folge sind Atemwegs-, Herz- und Kreislauferkrankungen. Nach Schätzungen der Arbeitsgruppe "Clear Air for Europe" (Saubere Luft für Europa) sterben allein in der EU jährlich 288.000 Menschen vorzeitig an den Folgen des Feinstaubs. In Deutschland wird pro Jahr mit circa 65.000 Todesfällen gerechnet. Laut Statistik verringert sich die Lebenserwartung aller EU-Bürger durch die gefährlichen Partikel um neun Monate. Während in Norditalien und in den Benelux-Staaten die Zahl der Sterbefälle am höchsten liegt, haben Menschen in Großbritannien und auch in Frankreich ein geringeres Risiko an den Auswirkungen des Feinstaubes zu sterben.
Verfahren wegen der Verletzung der Richtlinie soll es nach Aussagen von EU-Kommissar Verheugen kurzfristig nicht geben. Die Mitgliedstaaten müssen der EU-Kommission jedoch jeweils bis zum Jahresende über die Umsetzung und Einhaltung berichten. Dann wird die Kommission entscheiden, ob gegen ein Land ein Verfahren wegen Verletzung des EU-Rechts eingeleitet werden kann oder muss. Die Luftqualität will die EU noch weiter verbessern. Sie bereitet zur Zeit einen integrierten Aktionsplan vor, der noch im ersten Halbjahr 2005 fertiggestellt und an das Europäische Parlament und den Rat weitergeleitet werden soll. Die zu erwartenden Verordnungen aus Brüssel werden alsoweiterhin Staub aufwirbeln. Egon C. Heinrich