Dieser Wettstreit ist um so spannender, weil dabei jeweils die Geistes- der Naturwissenschaft die Nase zeigt und umgekehrt. Von seiner jüdischen Herkunft einmal abgesehen, war den Nazis vor allem der unruhige Geist Einsteins ein Dorn im Auge, der die festgezurrten "Weltbilder des Alltagsverstands" ins Wanken brachte. An eben dieser Revolutionierung der Erkenntnis setzt auch die vom Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und seinem Direktor Jürgen Renn verantwortete Ausstellung "Albert Einstein - Ingenieur des Universums" an. Das Projekt setzt auf die "Dramatisierung" der Wissenschaftsgeschichte.
Im Ausgang des 19. Jahrhundert galt das Ptolemäische Weltbild - mit einem schönen Modell von 1912 in Szene gesetzt - längst als überholt, Fernrohre und Spektografen hatten das Universum auf Sichtweite herangeholt. Auch die von Descartes und Newton eingeführten physikalischen Gesetze der Schwerkraft und Trägheit gerieten unter Rechtfertigungsdruck. Kosmos und Mikrowelt wurden mehr und mehr dem Experiment im Labor unterworfen. Nachdem der Besucher die "Schatzkammer" - ein lichtgeschützter Raum, in dem wertvolle Einstein-Unikate als Leihgabe der Hebräischen Universität Jerusalem präsentiert werden - absolviert hat, folgt er dem Leben des Genies: Der Kindheit und Jugend in der prototypischen erfolgreichen jüdischen Industriellenfamilie, später dann dem relativ sorglosen Aufenthalt in der Schweiz, der Einstein Zeit und Muse zur wissenschaftlichen Arbeit gab. Dort mimte er in der "Akademie Olympia" den Wissenschafts-Bohemien und entwickelte mit Freunden "spielerisch" seine künftigen physikalischen Theorien. Zur intellektuellen Herausforderung wird die Ausstellung spätestens mit Eintritt in den weißen Raum, einem Lichtwürfel, der Raum und Zeit aufzuheben versucht. Schon äußerlich soll hier eine Vorstellung der 1905 auf den Weg gebrachten Relativitätstheorie vermittelt werden. Eine auch für das physikalisch nicht vorgebildete Publikum verständliche, lebensnahe Animation in der Berliner U-Bahn führt in deren theoretischen Voraussetzungen und Annahmen ein.
Mit der Berufung Albert Einsteins zum Direktor eines neu zu schaffenden Kaiser-Wilhelm-Instituts beginnt sein akademischer Aufstieg - und die lange Folge der Überprüfung seiner Theorien, die in der Ausstellung zu verfolgen sind. Dabei reihen die erfindungsreichen Ausstellungs-Didaktiker die damals konkurrierenden Atommodelle in einem Raum auf, der mit transparenten Plastikluftpolstern tapeziert ist: Jedem Detail seinen sinnfälligen Ausdruck, jedem Raum seine Atmosphäre - und jedem Besucher den "interaktiven" Knopfdruck, mit dem er sich hier sogar durch den Weltraum "beamen" kann.
Einsteins Erkenntnisse über die Relativität von Raum und Zeit waren nicht überall willkommen. Die antisozialistisch und antisemitisch justierte Anti-Einstein-Liga weist prominente Mitglieder auf, darunter auch den Auto-Fabrikanten Henry Ford oder den Experimentalphysiker Ernst Gehrcke, für den der Kampf gegen Einstein zur Lebensaufgabe wurde. Einstein setzte sich zur Wehr, indem er sich auch in die politischen Debatten der Zeit einmischte, in diversen Anti-Kriegs-Initiativen wirkte und aus Angst vor Nazi-Deutschland sogar für die Entwicklung einer amerikanischen Atombombe warb.
Gegenüber diesem "öffentlichen Einstein" tritt der "private" vollständig zurück. Man hat ihn in wahrstem Sinne des Wortes in Schubladen versteckt, als ob der Einstein mit dem schon damals reichlich anachronistischen Frauenbild und der Einstein der Affären nicht ins Bild gepasst hätten.
In ganz ähnlicher Weise ausgegrenzt wird übrigens auch der "verfolgte Einstein", der in einem an die sogenannten "Duschräume" in Auschwitz gemahnenden, abgetrennten Interieur zu besichtigen ist. Nicht nur das deutsche Auswärtige Amt, sondern auch die McCarthy-Administration hatte den Initiator des Russell-Einstein-Manifests, der in den 50er-Jahren gegen die Atombombe stritt, im Visier. Die vielfache "Herausforderung Einstein" wird in der Ausstellung zwar wiederholt betont und in einem so genannten "Newsroom" aktualisiert. Doch findet man die richtige Antwort, indem man Statements zur "Verantwortung der Wissenschaft" nebeneinander platziert oder Wissenschaftler darüber sinnieren lässt, warum sie Wissenschaftler geworden sind und was Wissenschaft kosten darf und muss? Und wird wissenschaftliche Verantwortung eingelöst durch regulative Verfahren am Konferenztisch, wie die Ausstellungsmacher suggerieren? Mag der Mythos Einstein durch die Schau entzaubert werden - der Mythos Wissenschaft geht, trotz aller kritischen Verrenkung, neuen Weihen entgegen.
Albert Einstein. Ingenieur des Universums. Berlin Kronprinzenpalais
Unter den Linden vom 16.5. - 30.9.2005. Im Internet ab Ende Juni
unter: www.living-einstein.de. Infos unter:
www.einsteinausstellung.de