Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama glaubt, dass die Ökonomie der Menschheit mangels Alternativen ewig kapitalistisch bleiben werde. Er prophezeit damit das "Ende der Geschichte". Dass der krisenproduzierende Kapitalismus an seinen innerern Widersprüchen zusammenbrechen werde, ist andererseits fester Glaubenssatz von Revolutionsromantikern. Gern wird dies mit einer erträumten kommunistischen und damit ebenfalls geschichtsabschließenden Gesellschaft verbunden.
Die Implosion des Realsozialismus und die nachfolgende Machtverschiebung innerhalb der Industriegesellschaften zu Lasten der Gewerkschaften in den entwickelten Ländern spricht nicht für einen hohen Realitätsgehalt solcher Vorstellungen. Angesichts der Wandlungsfähigkeit des Kapitalismus, der als Wirtschaftssystem mittels beschleunigter Inwertsetzung immer weiterer gesellschaftlicher und territorialer Räume bisher alle Krisen gestärkt überwand, hält Elmar Altvater Zusammenbruchstheorien für illusionär. Ohne äußere Einwirkung könne die profitmaximierende Ökonomie ungeachtet der Zunahme sozialer Ungleichheiten letztlich bis hin zum Hungertod von "Globalisierungsverlierern" oder der Zerstörung ökologischer Lebensgrundlagen noch lange den Globus beherrschen.
Altvater hält jedoch auch die These Fukuyamas für falsch. Dies begründet der Autor mit einer äußerst lesenswerten Analyse der wirtschaftsgesellschaftlichen Entwicklung hin zum "Kapitalismus, wie wir ihn kennen". Dieser wird in seinen positiven - wohlstandssteigernden - wie in seinen angedeuteten negativen Wirkungen dargestellt.
Die ersten Kapitel stellen den existierenden Kapitalismus real- und ideengeschichtlich vor. Dessen Ursprung im neuzeitlichen Europa wird mit dem Zusammenkommen geistiger, sozialer und energetischer Voraussetzungen begründet. Nur mit dem Einsatz fossiler Energie sei die industrielle Revolution und damit die Möglichkeit zunehmender Mehrwertproduktion möglich gewesen.
Vor allem das rasch knapper und damit teurer werdende Erdöl sei seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine wesentliche Quelle des allseits geforderten Wachstums, ohne das die Akkumulation des Kapitals nicht funktionieren könne. Die Absicherung des ungehinderten Erdölflusses sei daher das wesentliche Ziel der kapitalistischen Kernländer. Jedoch könne angesichts der Endlichkeit des Rohstoffes Öl auch der "Öl-Imperialismus" die energetische Basis des Kapitalismus nicht retten. Eine uranbasierte Nukleartechnologie stelle angesichts der Knappheit dieses Energieträgers keine realistische Alternative dar.
Der Ölschock könnte die äußere Einwirkung sein, die den real existierenden Kapitalismus an sein Ende brächte. Der Kapitalismus werde jedoch nicht, so Altvater, wie der Realsozialismus in sich zusammenbrechen. Realistisch seien Bemühungen, dieses Wirtschaftssystem mittels nuklearer Kreislaufenergie zu retten. Das wäre heute mit dem Einsatz von Plutonium in Brutreaktoren oder vielleicht zukünftig in Fusionsreaktoren möglich. Neben den damit verbundenen evidenten ökologischen Gefährdungen würden eine unkontrollierbare Atomwaffenproduktion wie auch mögliche diktatorische Regime folgen.
Altvaters Alternative dazu wäre eine durch weltweite soziale Bewegungen erzwungene Rückgewinnung der Solidarität, verbunden mit einer solarpolitischen Wende. Die erneuerbaren Energien (Wind- und Wasserkraft, Erdwärme, direkte Sonnennutzung) wären nur dezentral nutzbar und ermöglichten so demokratische Teilhabe der Menschen. Es ist eine konkrete Utopie, die jenseits verbreiteter ideologischer Gewissheiten Gefahren und Chancen der Menscheit diskutabel werden lässt.
Elmar Altvater
Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen. Eine radikale Kapitalismuskritik.
Westfälisches Dampfboot, Münster 2005; 240 S., 14,90 Euro