Harald Klimenta ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von "attac", jenem weltweiten Netzwerk, das im Zeitalter der Globalisierung politische, soziale und ökologische Veränderungen anstrebt. Das heißt aber nur, dass seine Betrachtungsweise ökonomischer Prozesse eine andere ist und nicht zwangsläufig eine falsche.
Klimenta schildert anschaulich, was der von staatlichen und anderen Beschränkungen zunehmend befreite "Markt" mit uns Bürgern macht. Diese "neoliberale Revolution" greife massiv in das Leben der Menschen ein: Der Staat ziehe sich zunehmend aus seiner Verantwortung zugunsten privatisierter Leistungen zurück, der Sozialstaat werde diffamiert, ihre Börsenfähigkeit werde für viele Unternehmen zum einzig erstrebenswerten Ziel. Klimenta stemmt sich mit seinem Buch gegen den totalen Anspruch des Marktes. Er sucht und findet in Form von "30 Lichtblicken" hoffnungsvolle Initiativen und Ideen, die sich dessen Sog entziehen.
Mit aus- und inländischen Beispielen begründet Klimenta seine Zweifel am Sinn der Privatisierung zahlreicher öffentlicher Dienste. Viele Kommunen glauben so ihre Schuldenlasten zu verkleinern. Ob es die Berliner Wasserbetriebe sind oder die Müllentsorger in zahlreichen Großstädten: Meist bleibt der Wettbewerb auf der Strecke und der Bürger hat in vielerlei Weise das Nachsehen.
Die Gefahr einer uferlosen Privatisierungswelle, die über viele Kommunen hereinzubrechen droht, sieht Klimenta inzwischen freilich gebannt. In vielen Städten und Gemeinden rege sich bürgerschaftlicher Widerstand. Denn es sei eine von der Wirtschaft sorgsam gepflegte Mär, dass wir "zu viel Staat" haben. Er sei überall auf dem Rückzug und es sei nicht abzusehen, ob er nun nur ein wenig schlanker - was wünschenswert wäre - oder magersüchtig wird - was von Übel wäre.
Schweden ist für den Autor einer der Lichtblicke in puncto Sozialstaat und seines drohenden Abbaus. Hätten hohe Steuern und ein funktionierender Sozialstaat per se negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, müsste der schwedische Wohlfahrtsstaat vor sich hin kümmern, argumentiert der Autor.
Klimentas Buch geht nicht zimperlich um mit den vermeintlich unumstößlichen Erkenntnissen, die uns, den Bürgern, die Politik dauerhaft einbläut. Lügen und unzulässige Dramatisierung werden von Klimenta der Politik vorgeworfen. Den Medien hält er vor, sich nicht mehr um Hintergründe und schwierige Themen zu kümmern, sondern das Denken in Alternativen ganz generell zu behindern. Und die Wirtschaftswissenschaften kommen bei Klimenta ganz besonders schlecht weg. Sie würden sich der normierenden Macht eines Mainstreams unterwerfen. Alternatives Denken würde nicht nur missachtet, sondern geradezu diskriminiert.
Ausgiebig widmet sich Klimentas Buch der Frage der Balance zwischen Löhnen und Gewinnen und damit zwingend auch dem Problem, wie in der Wirtschaft Standortentscheidungen gefällt werden. Dabei dient ihm der Entschluss von BMW, in Leipzig ein neues Werk zu bauen - und nicht in Tschechien - als Beleg dafür, das in Deutschland das oft wider besseres Wissen betriebene Standortgejammer völlig fehl am Platze sei. Es ist nur konsequent, dass der Autor Münteferings Warnung vor den ökonomischen Heuschrecken "treffend" findet und ebenso wenig überrascht es natürlich, dass aus seiner Sicht "attac" zu den Lichtblicken zählt.
Klimenta ist überzeugt, dass "wir" - und damit meint er nicht nur einen national überschaubaren Raum - "Gewinner des Wandels" werden können. Für diese Überzeugung zieht er freilich auch Katego-rien zu Hilfe, die in dieser Debatte eher ungewöhnlich sind: Glück und Zufriedenheit. Das mündet in Klimentas Lichtblick Nummer 18, demzufolge Menschen nicht nur dem Geld hinterher rennen. Es gebe einfach auch ein Wirtschaften, das frei von Profitstreben sei. Es gebe Genossenschaften und Stiftungen; Wohlfahrtsorganisationen bewirkten Gutes und Umwelt- und Frauenbewegungen seien weltweit aktiv. Aber dieses bürgerschaftliche Engagement ist keine neue Erscheinung, die mit der Globalisierung einhergeht. Insofern vermengt der Autor die Probleme der Ökonomie von heute und die Widerstände gegen sie mit traditionellen gesellschaftlichen Aktivitäten, die es abseits des Kommerzes schon immer gab.
Klimentas überzeugendem Ansatz, nämlich Denkalternativen zu dem aufzuzeigen, was uns als Wirtschaft im Großen und im Kleinen begegnet, ist irgendwann die Luft ausgegangen. So ist ihm zwar kein großer Gegenentwurf zu den hinlänglich bekannten "Nur-so-geht-es"-Stücken aus den Federn konventioneller Wirtschaftswissenschaftler geglückt. Aber immerhin doch eine informative Sammlung bekannter und unbekannter Fakten, nachdenkenswerter, wenn auch teils romantisch-visionärer Ideen.
Harald Klimenta:
Das Gesellschaftswunder.
Wie wir Gewinner des Wandels werden.
Aufbau-Verlag, Berlin 2006; 320 Seiten, 19,90 Euro