Anfang des Jahres schien die sportpolitische Welt noch in Ordnung. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung und sein Kabinettskollege, Innenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU), saßen in ihren Ministerien und konnten Medaillen zählen. Medaillen, die Soldaten der Bundeswehr und Angehörige der Bundespolizei von den Olympischen Spielen in Turin mit nach Deutschland brachten. Denn jene deutschen Olympioniken, die das sportliche Treiben so deutlich dominierten, tragen hauptberuflich Uniform und werden von ihren Arbeitgebern entsprechend gefördert.
Doch während sich die beiden Minister noch gemeinsam über den Erfolg ihrer Soldaten und Polizeibeamten in den Sportstätten um Turin freuen konnten, zeigte sich immer deutlicher ihre Uneinigkeit über den Einsatz der Uniformierten vor Sportstätten während der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Schäuble forderte wie andere Unionspolitiker auch, die Bundeswehr müsse die Polizei beim Schutz der WM etwa vor einem Terroranschlag unterstützen. Sie könnte beispielsweise Aufgaben des Objektschutzes übernehmen. Im Klartext: Bewaffnete Soldaten stünden Wache vor Fußballstadien oder vor Regierungsgebäuden in Berlin, um die Polizei dort zu entlasten.
Diese Vorstellung stieß nicht nur bei den Oppositionsparteien oder beim Bundeswehrverband auf strikte Ablehnung, auch der Verteidigunsgminister wollte sich nicht so recht anfreunden mit dieser Idee. Jung verwies auf die Verfassung, die einen derartigen Einsatz der Streitkräfte im Land auschließe. Die Befürworter des Bundeswehreinsatzes hielten dagegen, dass die alte Trennung zwischen äußerer und innerer Sicherheit in Zeiten terroristischer Bedrohung nicht länger aufrecht erhalten werden könne.
Dass ein internationales Großereignis wie die Fußball-Weltmeisterschaft ins Visier von Terroristen geraten kann, ist unbestritten. Es ist gerade die weltweite Aufmerksamkeit, die eine WM zum "perfekten" Ziel für Terroristen werden lässt. Keinen Zweifel lassen etwa die USA aufkommen, wem sie einen solchen Anschlag zutrauen. So heißt es in einer Mitteilung des US-Außenministeriums: "Die von Al Qaida unter Beweis gestellte Fähigkeit, ausgeklügelte Anschläge auf beträchtliche Strukturen wie Schiffe, große Bürogebäude, Botschaften und Hotels auszuführen, macht sie zu einer der größten potenziellen Bedrohungen für die Fußball-Weltmeisterschaft."
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe setzte dann einen vorläufigen Schlussstrich unter die Debatte um die Aufgaben von Innen- und Außenverteidigung. Am 15. Februar kippte sie das umstrittene Luftsicherheitsgesetz: Mit diesem sollte es der Luftwaffe unter anderem erlaubt werden, im Fall einer terroristischen Bedrohung nach dem Vorbild der Anschläge vom 11. September 2001 notfalls auch zivile Flugzeuge im deutschen Luftraum abzuschießen. Ein bewaffneter Einsatz der Bundeswehr gegen Terroristen im Inland sei durch das Grundgsetz nicht gedeckt, entschieden die Verfassungsrichter. Prompt wurde die Forderung laut, dann müsste eben die Verfassung geändert werden. Der Ausgang ist offen.
Klar ist, dass es zu keinem bewaffneten Einsatz der Bundeswehr während der WM kommen wird. Dafür aber auf anderen Gebieten. Die Bundeswehr stellt den Bundesländern, die entsprechende Anträge auf Amtshilfe bei der Bundesregierung gestellt haben, rund 2.000 Soldaten zur Verfügung - vor allem im Bereich des Sanitätswesen und der ABC-Abwehr. Bereit gestellt werden unter anderem Transporthubschrauber, mobile Sanitätszentren oder ABC-Spürpanzer. Zudem wird die Bundeswehr mehr als 3.500 Polizisten in Nähe der elf WM-Austragungsorte in 40 Kasernen Unterkünfte zur Verfügung stellen.
Zusätzlich werden weitere 5.000 Soldaten in Bereitschaft stehen, um - wie es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion heißt - bei "Eintritt eines Großschadensereignisses unmittelbar reaktionsfähig zu sein". Dies wäre zum Beispiel ein Terroranschlag. Diese Unterstützung im so genannten Amtshilfeverfahren ist auch vom Grundgesetz ausdrücklich gedeckt.
Zum Einsatz kommen werden auch AWACS-Aufklärungsflugzeuge der NATO. Sie sollen während der WM den Luftraum über den Austragungsorten verstärkt überwachen. Das ist nicht ungewöhnlich: Auch bei anderen sportlichen Großereignissen in den Mitgliedsländern des Bündnisses - etwa während der Olympischen Sommerspiele in Athen - kamen die Aufklärungsflugzeuge immer wieder zum Einsatz.
Wie groß die Gefahr eines terroristischen Anschlags während der Fußball-Weltmeisterschaft wirklich ist, lässt sich nicht abschätzen. "Es gibt keine konkreten Gefährdungshinweise", heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Das US-Außenministerium warnt Besucher der WM zwar prinzipiell vor terroristischen Anschlägen, betont aber zugleich, dass es derzeit keinerlei "spezifischen oder glaubhaften" Hinweise auf einen solchen Anschlag gebe. Amerikaner sollten jedoch "zu jeder Zeit wachsam" sein. So werden denn auch die deutschen Sicherheitsbehörden den Mannschaften der USA und Englands wegen der Beteiligung ihrer Länder am Irak-Krieg besonderen Schutz angedeihen lassen. Dies betrifft auch alle WM-Partien, zu denen diese Mannschaften antreten.
Um unliebsamen Gäste der WM von vornherein die Einreise nach Deutschland zu erschweren, wird auch wieder an den so genannten Schengen-Grenzen der Europäischen Union kontrolliert. Mit 35 Staaten wurden Absprachen zur frühzeitigen Gefahrenabwehr getroffen. Unterstütztung erhalten die rund 40.000 Angehörigen der Bundespolizei, für die während der WM eine Urlaubssperre verhängt wurde, auch von Kollegen aus dem Ausland. Rund 300 Polizisten anderer Nationen werden zu "Gast sein bei Freunden".