Die Treuebekundung ist nicht zu übersehen: In dem leicht chaotischen Redaktionsbüro am Prenzlauer Berg in Berlin ist ein blauweißer Arminia-Schal um einen Türgriff gewickelt. "Klar", lächelt Philipp Köster, "ich bin ein exzessiver Fan von Arminia Bielefeld." Zuweilen fährt der Chefredakteur des Magazins "11 Freunde" sogar einige hundert Kilometer weit, um wie ehedem auf der legendären Bielefelder Alm, die heute zu Kösters Leidwesen den versponserten Namen "Schüko-Arena" trägt, ein Match zu verfolgen. In Bielefeld hatte die publizistische Erfolgsstory vor sechs Jahren ja auch angefangen. Damals produzierten Köster und sein Mitstreiter Reinaldo Coddou im Wohnzimmer mit einer Auflage von 2.500 Exemplaren ihre örtliche Arminia-Fanzeitschrift, die sich inzwischen mit einem ambitionierten Konzept jenseits von Tabellenfetischismus und kommerzialisiertem Star-Hype zum größten deutschen Fußball-Monatsmagazin gemausert hat: Laut Chefredakteur werden 40.000 Hefte von "11 Freunde" verkauft, auch der Verlag trägt diesen Namen.
Beim FC St. Pauli war Rainer Schäfer ebenfalls begeisterter Anhänger, er wurde am Millerntor "zehn Jahre lang sozialisiert". Heute ist er Chefredakteur des seit Sommer 2005 in Hamburg hergestellten Monatsmagazins "Rund". Indes, er ist aber kein Fan des Clubs mehr: Schäfer spricht von "enttäuschter Liebe". Im Zuge vertiefter Blicke ins Innenleben des Vereins wurde er auf "zu viel Zynismus" aufmerksam, auch gegenüber den Fans. Bis 2003 produzierten Schäfer und sein Journalistenteam die lokale Fanpostille "Viertel nach fünf", doch dann konnte sich der Club diese Publikation nicht mehr leisten. "Rund", das wie "11 Freunde" einen hohen Anspruch hat und dessen verkaufte Auflage laut Schäfer bei 25.000 Exemplaren liegt, ist eine bundesweite Weiterentwicklung von "Viertel nach fünf" und erscheint ausgerechnet unter dem Dach des Nürnberger Olympia-Verlags, der den so ganz anders gestrickten "Kicker" herausgibt.
In Sachen Vereinsliebe sind Köster und Schäfer andere Wege gegangen. Trotz aller Unterschiede in der Machart ähneln sich ihre Magazine, die in der Welt der Fußballzeitschriften aus dem Rahmen fallen, in der ernsthaft-ironischen Themenmischung freilich sehr. "Rund" bringt eine fundierte und kritische Reportage über Doping im Fußball und präsentiert ein anderes Mal eine "Bundesligatoilettenstatistik" - mit dem verblüffenden Ergebnis, dass es in vielen Stadien mehr Damen- als Herrenklos gibt. "11 Freunde" erzählt in einem exzellent geschriebenen Porträt die Lebensgeschichte des genialen britischen Kickers George Best, der sich mit 59 zu Tode soff. Dann spießt man mit subtiler Ironie die Raucherbekämpfung in Arenen ebenso auf wie den berüchtigten Trupp der Tierrechts-Eiferer von Peta, die Arenen zu bratwurstfreien Zonen machen wollen.
"Wir behandeln Themen, die nicht im Blickfeld großer Medien liegen", erzählt Köster. Keine Tabellen ohne Ende, keine aktuellen Spielberichte, keine Mannschaftsaufstellungen, keine Spotlights rund um Promis. Der "11 Freunde"-Macher: "Wir betrachten den Fußball als kulturelles Phänomen." Fast wortgleich definiert Schäfer die Linie seines Magazins: "Wir wollen Fußball und Kultur zusammenbringen." Beide Redaktionen legen Wert auf selbstrecherchierte Artikel. Was so gar nicht in die moderne Medienlandschaft mit ihrem Trend zu immer kürzeren Texten passen will: Manche Geschichten haben eine beachtliche Länge, was inhaltlichen Tiefgang erlaubt. Eine bebilderte Reportage in "11 Freunde" über die Ausbildung von Nachwuchskickern in Brasilien bringt es auf stolze 16 Seiten.
Kultur, Anspruch, Ambition, Qualitätsjournalismus: Das klingt schon irgendwie elitär. Aber so kommen die beiden Magazine ganz und gar nicht daher. Von verbiesterter Ideologie oder intellektualisiertem Krampf ist nichts zu spüren. Die Texte sind meist mit leichter Feder geschrieben. Und zwischen Kritik und Nachdenklichkeit mischt sich eben viel Ironie. Köster: "Ansonsten ist der Wahnsinn rund um den Fußball gar nicht zu ertragen."
Es mutet erstaunlich an, welche Facetten sich in der Welt des runden Leders so entdecken lassen. In Italien treten Livorno und Lazio gegeneinander an: Das ist in "11 Freunde" Stoff für eine Geschichte über das Aufeinandertreffen von betonkommunistischen Ultra-Fans von Livorno, die Stalin verehren, und faschistisch gesinnten Lazio-Anhängern, die den Mussolini-Gruß zeigen. Der Wettskandal wird aus der Perspektive eines Spielers beleuchtet, der zu Unrecht verdächtigt wurde. Bildreportagen vermitteln Einblicke in den Frauenfußball im peruanischen Andenhochland oder in die merkwürdige Architektur belgischer Zweitliga-Stadien. Die Beschlagnahme der Fußball-WM durch die Politik wird als "kenntnisfreies Geschnatter" entlarvt. Ein Text beleuchtet mal nicht Millionentransfers im Profifußball, sondern erzählt von jenen selten gewordenen Kickern, die ihrem Verein seit zehn oder 15 Jahren die Treue halten.
Ähnlich locker ist die Mischung in "Rund". Gastautor und TV-Moderator Jörg Thadeusz nimmt mit elf Geboten für Kicker-Profis dieselben auf die Schippe: "Du sollst keine anderen Götter haben außer Franz. Was er redet, leuchtet zwar keinem ein, aber du sollst schließlich glauben, nicht verstehen." Bei Interviews werden Promis wie Ivan Klasnic oder Robert Huth an Lügendetektoren angeschlossen: Das ist natürlich ein Gag, "aber so wollen wir auch symbolisch die Rolle aufbrechen, die die Profis spielen", erläutert Rainer Schäfer. Vorgestellt wird der 80-jährige Alfred Hoppenberg, der weiterhin in Dorfmannschaften mitkickt und über die Fußballer von heute meint, die seien "einfach nicht wendig genug".
Besonders kritisch setzen sich beide Magazine mit der Kommerzialisierung des Fußballs und mit der ausufernden Repression gegenüber den Fans auseinander. Im Blick auf die WM prangert "Rund" die "Paramilitarisierung von Sportevents" an. Philipp Köster: "Der Fan gilt fast schon als Staatsfeind, in den Stadien sind inzwischen mehr Kameras auf das Publikum als auf das Spielfeld gerichtet." Dass bei der WM Zuschauer ein Ticket erst nach vorheriger Überprüfung durch die Polizei erhalten, sei "extrem bizarr", klagt der "11 Freunde"-Chefredakteur. "Rund" wiederum kritisiert, dass bei der WM um die Stadien Bannmeilen errichtet werden, in denen nur FIFA-Sponsoren werben dürfen und zu denen nur Personen mit einem Ticket Zugang haben. Aus Kösters Sicht entfremdet sich mit der Kommerzialisierung, die im Verhökern von Stadionnamen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, der Fußball von den Fans: "Wir schreiben von einem parteiischen Standpunkt aus, wir stehen auf der Seite der Fans". Im Grunde sei sein Blatt "wertkonservativ", man verteidige die Welt der alten Stehplatzkurven und führe eine Art "Abwehrkampf gegen den Zeitgeist". Rainer Schäfer findet diese Haltung der Berliner etwas "zu nostalgisch".
Die zwei Blätter tummeln sich im gleichen Marktsegment: Gelesen werden sie vor allem von einem urbanen Publikum mit einem gewissen Bildungsniveau. Köster meint. "Wir konnten nun mal nicht ewig ohne Konkurrenz bleiben, wir machen uns deswegen nicht ins Hemd." Schäfer ist der Überzeugung, "dass es angesichts des Millionenheers an Fans Platz für zwei solche Magazine gibt".
Karl-Otto Sattler arbeitet als freier Journalist in Berlin.