Im Zentrum der Neuauflage seines Buches steht die Frage: "Warum tun Terroristen, was sie zun?". Der Aufmerksamkeit von höchster Stelle dürfte sich Hoffman sicher sein, schließlich berät er als Leiter des Washingtoner Büros der amerikanischen "Denkfabrik" RAND Corporation auch die US-Administration. Dass die Regierung seinen Empfehlungen und Ratschlägen zur Terrorismus-Bekämpfung nicht gefolgt ist - wie die Entwicklung vor und nach dem 11. September gezeigt hat -, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Der Wissenschaftler definiert Terrorismus als "unausweichlich politisch und gewalttätig". Er erzeuge Angst durch Gewalt oder durch die "Androhung von Gewalt zum Zweck der Erreichung politischer Veränderungen". Der Terrorismus sei "spezifisch darauf ausgerichtet, über die unmittelbaren Opfer oder Ziele des Angriffs hinaus weitreichende psychologische Effekte zu erreichen". Durch die Publizität ihrer Gewaltakte versuchten die Terroristen, den politischen Einfluss und die Macht zu erlangen, über die sie ansonsten nicht verfügen würden.
Ohne falsche Rücksichtnahme auf die "offizielle Geschichtsschreibung" analysiert Hoffman die historischen Erfolge des ethno-nationalen Terrorismus im postkolonialen Zeitalter, die zur modernen Internationalisierung des Terrorismus geführt haben. Mit zahlreichen Beispielen belegt er die Verbindungen zwischen ethnischen und ideologisch motivierten Organisationen.
Ein zentrales Kapitel ist dem religiösen "Gebot", also der "Heiligen Pflicht", zu terroristischem Handeln gewidmet. Vor allem wegen der Analyse der Strategie von Al-Qaida ist dieser Text hochaktuell. Schon 1998 hatte der Wissenschaftler festgestellt, dass der religiös motivierte Terrorismus ein ungeheures Potenzial für weitere und brutalere Gewaltakte in sich trage. Diese Anschläge würden nicht nur gegen die Weltmacht USA gerichtet sein, sondern auch gegen deren NATO-Verbündete. Wie zur Bestätigung dieser These hatte die nordatlantische Allianz nach den Anschlägen vom 11. September den Verteidigungsfall ausgerufen.
"Terrorismus ist Theater", erklärte 1974 der Terrorismus-Experte Brian Jenkins. Bruce Hoffman bekräftigt diese These und weist nach, dass die Medien "beinahe mit ungezügelter Bereitwilligkeit" die speziell nach ihren Bedürfnissen inszenierten terroristischen Angriffe konsumieren. Deshalb machte er aus dem Kapitel "Terrorismus, Medien und öffentliche Meinung" der ersten Auflage nunmehr zwei Kapitel. Darin legt Hoffman nicht nur dar, warum Terroristen bei der Durchsetzung ihrer Ziele einen so großen Wert auf "PR-Arbeit" legen. Vielmehr weist er nach, dass mit dem massenhaften, globalen Zugang zum Internet auch für die Propaganda des internationalen Terrorismus eine neue Ära begonnen habe. Gleichzeitig scheinen die Terroristen weniger Wert auf das "Bekennerschreiben" zu legen, wie es noch in den "klassischen" Handlungsmustern der Terrororganisationen üblich war.
Taktiken und Techniken
Darüber hinaus erläutert Hoffman sachkundig Taktik und Techniken des Terrorismus und zeigt, wie er sich ständig an die Moderne anpasst. Inzwischen verfüge er über ein blutigeres und zerstörerisches Potenzial als jemals zuvor. Vor allem das Anwachsen des religiösen Terrorismus und die Furcht vor einem Gebrauch von Massenvernichtungswaffen seien gute Gründe für seine weltweite Bekämpfung. Nach dem 11. September 2001 änderte der islamistische Terrorismus Taktik und Strategie erneut. Hoffman analysiert die Veränderungen in Bezug auf Al-Qaida nach dem Afghanistan-Krieg, erklärt die Schwierigkeiten bei der rein militärischen Bekämpfung des Terrorismus und fordert die Regierenden auf, den "Kampf gegen den Terrorismus" als "endlos" zu begreifen, schließlich existiere er seit 2000 Jahren. Ganz ohne Hoffnung lässt der Autor den Leser jedoch nicht zurück: Der Terrorismus könne erfolgreich bekämpft werden, glaubt Hoffman, wenn seine Gegner "ebenso unermüdlich, innovativ und dynamisch" vorgingen wie die Terroristen selbst.
Hoffmans Buch ist hervorragend recherchiert. Zudem ist es packend und brillant geschrieben. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn der Autor die historischen, politischen und religiösen Hintergründe und die Entstehung der terroristischen Organisationen darstellt. Insgesamt liest sich die Studie wie ein historischer Politthriller - in dem leider nichts erfunden ist.
Erfreulicherweise gibt es inzwischen neben ausgezeichneten Arbeiten aus den USA, Frankreich und Großbritannien auch deutsche Autoren, die mit ihren Arbeiten dazu beitragen, das komplexe Bild des internationalen Terrorismus besser zu verstehen. Zu den besten Büchern über den islamistischen Terrorismus gehört derzeit die Studie von Guido Steinberg. Der Orientalist, der als Terrorismus-Experte im Bundeskanzleramt tätig war, ist der Fachwelt bekannt wegen seiner Veröffentlichungen über Saudi-Arabien. Dank einer gründlichen Analyse der Primärquellen kann Steinberg die Leser sachkundig über die Entstehung, die Motive, die regionalen und internationalen Strukturen des islamistischen Terrorismus informieren. Zugleich erfährt er, wer die "nahen" und wer die "fernen Feinde" der Islamisten sind, so wie sie vor Jahren von Osama Bin Laden und Ayman Al-Zawhiri definiert wurden. Ausführlich berichtet der Autor über die verschiedenen Facetten des Dschihad und erläutert die regionalen Wurzeln des religiös motivierten Terrors und ihre globale Dimension.
Als Fazit soll festgehalten werden: Für jeden, der sich allgemein über das Thema Terrorismus informieren will, sollte das Buch von Bruce Hoffmann Pflichtlektüre sein. Wer sich hingegen ausschließlich mit dem islamistischen Terrorismus beschäftigen möchte, dem sei die Studie von Guido Steinberg empfohlen.
Bruce Hoffman: Terrorismus - der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer Gewalt. Übersetzt von Klaus Kochmann. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. Main, Neuausgabe 2006; 596 S., 22,90 Euro.
Guido Steinberg: Der nahe und der ferne Feind. Das Netzwerk des islamistischen Terrorismus. Verlag C. H. Beck, München 2005; 281 S., 19,90 Euro.