Im strenggläubigen amerikanischen "Bible Belt", jenem vom mittleren Westen bis zum Süden der USA reichenden Staatengürtel, wird Mahmood Mamdani mit seinen Gedanken sicher weniger Begeisterung ernten als in New Yorks Riverside Church. Dort hat der prominente Anthropologe und Politikwissenschaftler in den verzweifelten Wochen nach den Anschlägen vom 9. September 2001 in zahlreichen, Aufsehen erregenden Vorträgen versucht, die Ursachen für diese neue Form von Terror zu finden. Mamdanis Kernbotschaft schmerzt: "Ich behaupte, dass der 11. September weniger Ausdruck eines tief verwurzelten Kampfes der Kulturen ist, als vielmehr ein Kind der jüngsten Geschichte, nämlich des Kalten Krieges." Das Ergebnis einer unheilvollen Allianz also zwischen Washington, der CIA und terroristischen Bewegungen in Afrika, Südostasien und Lateinamerika, die aus dem Ruder gelaufen sei, und nun als Hypothek der Block-spaltung auf der neuen Welt laste. Kurzum: Die USA als Wirtstier auch des politischen Islam, der nun zerstört, was ihn einst hervorbrachte.
In New York gehört der 1946 in Bombay geborene, aber in Uganda als Sohn indischer Einwanderer aufgewachsene Mamdani zum intellektuellen Establishment. In dieser Stadt liebt man den provozierenden Blick über den Tellerrand und was man dort sieht, darf einem selbst wehtun. In anderen Teilen Amerikas wird harsche Selbstkritik weniger geschätzt und so bleibt das Echo auf Mamdanis 2004 in dem Buch "Good Muslim, Bad Muslim. America, the Cold War, and the Roots of Terror" zusammengefasste Vorträge gespalten. Die amerikanische Linke nahm es indessen mit Begeisterung auf. Noam Chomsky, einer der schärfsten Kritiker der US-Außenpolitik, lobte das Buch als einen "wertvollen Beitrag für das Verstehen einiger der wichtigsten Entwicklungen der heutigen Zeit". Auch der südafrikanische Literaturnobelpreisträger J. M. Coetzee empfahl es: "Mamdani deckt die Lügen, Stereotypisierungen und leichtfertigen Generalisierungen auf, mit denen die USA ihr Verhalten gegenüber der muslimischen Welt begründen. Bestürzend, aber essenziell."
Einen Namen zu haben, der auf einen muslimischen Hintergrund hindeute, habe nach 9/11 eine völlig neue Wirkung entfaltet, berichtet Mamdani - sicher auch aus eigener Erfahrung. "Nach dem 11. September ist der Islam eine politische Identität geworden." Sein eher essayistisches, als wissenschaftlich-systematisches Buch lässt sich unter diesem Aspekt auch als Streitschrift lesen, das sich gegen die Stigmatisierung des Islams ebenso wendet wie gegen die zunehmende Politisierung des Kulturellen. "Während des Kalten Krieges wurden Afrikaner als Beispiel für Völker stigmatisiert, die offensichtlich zur Moderne unfähig seien. Mit dem Ende des Kalten Krieges sind an die Stelle Afrikas der Islam und der Nahe Osten als harter Kern der Vormoderne in einer sich rapide globalisierenden Welt getreten." Der Unterschied in der Wahrnehmung Schwarzafrikas und des nahöstlichen Islams sei folgender: "Während man Afrikanern unterstellt, dass sie zur Moderne unfähig sind, wird vom Islam in seinem harten Kern angenommen, dass er zur Moderne nicht nur unfähig, sondern auch unwillig ist."
Es ist vor allem die Gleichsetzung politischer und kultureller Identitäten, die der Direktor des Instituts für afrikanische Studien an der Columbia University eloquent kritisiert, da die Folge eindimensionale Erklärungsmuster seien, die zu völlig falschen Begriffen führten. Mamdani macht das deutlich an den häufig analog verwendeten Begriffen des "politischen Islam" und des "islamischen Fundamentalismus". Während das politische Christentum in den USA vor allem durch "fundamentalistische" Kleriker wie Jerry Falwell und Pat Robertson geschaffen worden sei, seien in Indien und im Iran vor allem nicht-klerikale politische Intellektuelle wie Muhammad Iqbal oder Ali Shariati Vordenker des politischen Islam gewesen. Da sie sich nicht als religiöse Gelehrte hervorgetan hätten, sei es weitaus angemessener von einem politischen Islam zusprechen, als vom islamischen Fundamentalismus.
"Mir ist niemand bekannt, der durch religiöse Beweggründe dazu inspiriert worden wäre, sich Osama bin Laden anzuschließen," schreibt Mamdani. Bin Laden sei Politiker, kein Theologe. Seine Anhänger seien politische Gefolgsleute. "Beide, Bush wie bin Laden, bedienen sich der religiösen Sprache, der Sprache von Gut und Böse, einer Sprache der Kompromisslosigkeit: Du bist entweder für uns oder gegen uns." Beide leugneten die Möglichkeit einer dritten Antwort. "Schlimmer noch, sobald der Kampf gegen politische Gegner als ein Kampf gegen das Böse definiert wird, wird er zum Heiligen Krieg. Und in einem Heiligen Krieg kann es keine Kompromisse geben. Das Böse kann nicht verändert, es muss ausgetrieben werden."
Auch wenn man bei der Lektüre von Mamdanis Buch an mancher Stelle widersprechen möchte, so bleibt dieser gedankenreiche Essay eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit der amerikanischen Geschichte und Gegenwart im Hinblick auf den Islam. Dies gilt ganz besonders für Mamdanis kenntnisreiche Darstellung Afghanistans. Dazu trägt entscheidend die gelungene Übersetzung von Sophia Deeg bei.
Lernen kann man bei Mamdani vor allem das Kulturgrenzen überschreitende Denken. Er selbst wird nicht zuletzt von seiner Frau, der berühmten indischen Filmregisseurin Mira Nair ("Salaam Bombay!, Monsoon Wedding") inspiriert worden sein, mit der er gemeinsam in New York City und der ugandischen Hauptstadt Kampala lebt.
Mahmood Mamdani: Guter Moslem, böser Moslem. Amerika und die Wurzeln des Terrors. Aus dem Englischen von Sophia Deeg. Edition Nautilus, Hamburg 2006; 317 S., 19,90 Euro.