Wie kann man die Hinwendung von Menschen zur islamistischen Bewegung und zum Selbstmordattentat in deren Namen erklären? Zu dieser Frage gibt es mittlerweile eine Reihe von Erklärungsansätzen. Ihnen fügt der Essayist und Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger eine weitere Variante hinzu. Er deutet dieses Phänomen mit dem Hinweis auf den Typus des "radikalen Verlierers". Daher lautet der Titel seines Essay, der im November 2005 in einer kürzeren Variante bereits im "Spiegel" erschienen war, auch "Schreckens Männer. Versuch über den radikalen Verlierer". Gemeint ist damit eine Person, die sich selbst als Opfer, Unterlegener und Versager empfindet. Als Besonderheit komme hinzu: "Der radikalen Verlierer aber sondert sich ab, wird unsichtbar, hütet sein Phantasma, sammelt seine Energie und wartet auf seine Stunde!"
Ausgelöst werde sein Handeln durch "eine Art ideologischen Zünder", der den "radikalen Verlierer" zu einer von Aggression und Autoaggression, Selbstzerstörung und Zerstörung geprägten Handlungsweise treibe. Insbesondere in der arabischen Welt, so Enzensberger, gehe dies mit dem Nachhinken hinter dem Westen verbundene Unterlegenheitsgefühl mit einem Selbstbild der besten Gemeinschaft einher. Die damit verbundene "narzisstische Kränkung" verlange noch "Kompensation" und entlade sich in den einschlägigen Akten von Gewalt und Terror. Politische und religiöse Begründungen gelten dem Autor demgegenüber lediglich als Folie zur Legitimation derartiger Handlungen. Den "Avantgardisten des Totes" ginge es dabei auch gar nicht um die Besserung des Lebens ihrer Glaubensbrüder.
Diese Auffassungen formuliert Enzensberger in einem knapp über 50 Seiten umfassenden Text, der sich als essayistischer Versuch, nicht als wissenschaftliche Abhandlung versteht. Gleichwohl beansprucht er Allgemeingültigkeit für seine Thesen. Begründet werden sie allerdings nur durch subjektive Reflexionen über einzelne Eindrücke und Phänomene. Die mangelnden Belege müssen allerdings nicht gegen die Gültigkeit der Aussagen sprechen. Zutreffend weist Enzensberger auf die psychologische Dimension des islamistischen Terrorismus hin und verkoppelt diese mit ideologischen, politischen und sozialen Faktoren. Dabei reduziert er deren Bedeutung allerdings auf etwas Aufgesetztes ohne größeren Stellenwert. In dieser Einseitigkeit, die in der islamistischen sogar eine "unpolitische Bewegung" sieht, muss allerdings auch das Kritikwürdige an dem Essay gesehen werden. So wichtig es ist, die psychologische Perspektive mit zu berücksichtigen, so bedenklich ist es, den islamistischen Terrorismus weitgehend auf das Phänomen des "radikalen Verlierers" zu reduzieren.
Hans Magnus Enzensberger: Schreckens Männer. Versuch über den radikalen Verlierer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. Main 2006; 53 S., 5 Euro.