Nicht weniger hat sich der Journalist Harry D. Schurdel vorgenommen, als eine "bemerkenswerte Lücke im Bereich der Musikliteratur zu schließen": Bücher über Nationalhymnen, so musste er feststellen, gibt es in Deutschland kaum. Deshalb hat er ein lesenswertes, angenehm kurzweiliges Buch geschrieben, in dem er ausgewählte Nationalhymnen der Welt vorstellt. Hymnen aus 65 Ländern und allen Kontinenten hat er zusammengetragen, ihre Texte und Melodien, aber auch ihre Entstehungsgeschichte und Bedeutung für das jeweilige Land. Denn Hymnen sind nicht einfach nur klingende Symbole, die bei Staatsbesuchen oder zur Olympiade abgespielt werden. In ihnen spiegeln sich auch die Traditionen und Hoffnungen einer ganzen Nation.
Schurdel weiß davon eine Menge zu erzählen. Er hat recherchiert, wer die jeweilige Hymnen geschrieben hat - oft waren es Dichter oder Berufskomponis- ten, manchmal aber auch Militärmusiker oder Mis- sionsgeistliche - und in welcher Zeit und unter welchen Umständen sie entstanden sind. Dabei ist er auf allerhand Kurioses und Nachdenkenswertes gestoßen. Der Leser erfährt beispielsweise, dass die Melodie der südkoreanischen Hymne auf einem der bekanntesten englischsprachigen Lieder, dem schottischen Volkslied "Auld Lang Syme", beruht. Womöglich hat ein britischer Lehrer seine Schüler den frühen Hymnentext nach dieser Melodie singen lassen.
In Kenia dagegen, erzählt Schurdel, habe sich die Suche nach einer Hymne schwierig gestaltet: Ihr Text musste in den 1960er-Jahre mehr als 40 ethnischen Gruppen genügen. Allein die Entscheidung, in welcher Sprache das Lied gesungen werden sollte, wurde zum Politikum. Und die Melodie? Nach ihr fahndete eine Regierungskommission über Monate. Schließlich entschied sie sich für eine einfache Volksweise. Es war ein Schlaflied für Kinder.
Harry D. Schurdel: Nationalhymnen der Welt. Atlantis Musikbuch, Mainz 2006; 444 S., 16,95 Euro.