Auf diese Frage wusste die Ministerin keine rechte Antwort: Gefragt, ob sie die geplante Reform des Urheberrechts auch dann noch so gut finden würde, wenn sie als Kunstschaffende von den Einnahmen ihres geistigen Eigentums leben müsste, geriet Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ins Schlingern. Den Eindruck, nicht genügend zu verdienen, hätten viele Menschen - aber zugegebenermaßen sei es gerade für die Kreativen schwer, von ihrer Kreativität zu leben.
Es war das erste, aber nicht das letzte Mal, dass die Ministerin am 11. Oktober in der Berliner Akademie der Künste in die Defensive geriet. Dorthin war sie eingeladen worden, um mit Künstlern und Kunstinteressierten das neue Urheberrechtsgesetz zu diskutieren. Das Gesetz, das im Herbst vom Bundestag beraten und zum Jahresende verabschiedet werden soll, sieht vor, Privatkopien nicht kopiergeschützter Werke weiter zu gestatten und die Kreativen wie bisher für diese Nutzung ihrer Werke zu entschädigen. Neu ist, dass die Höhe der Vergütung nicht mehr vom Gesetzgeber, sondern von den Beteiligten ausgehandelt werden soll. Um sich darüber zu einigen, haben Gerätehersteller und die Verwertungsgesellschaften als Rechteinhaber ein Jahr Zeit. Dabei soll die Vergütung für die Kopien an die Verkaufspreise der Geräte angepasst werden, mit denen kopiert wird - sie darf nicht über fünf Prozent des Gerätepreises liegen. Entscheidend ist auch, in welchem Maße die Geräte zur Vervielfältigung genutzt werden. Außerdem sollen die Urheber künftig die Möglichkeit haben, vertraglich zu regeln, ob und wie ihre Werke später in Nutzungsarten verwertet werden, die es heute noch nicht gibt. Eine Ausnahme wird dabei für die Filmwirtschaft gemacht: Hier sollen die Produzenten, die Rechte kaufen, auch in unbekannten Nutzungsarten verwerten dürfen - ohne Widerufsmöglichkeit des Urhebers.
Was Brigitte Zypries in Berlin als größtmöglichen Schutz des Urheberrechts bewarb, wird von vielen Kreativen als Bedrohung empfunden. Regisseur Hark Bohm erklärte, viele Filmemacher hätten große Angst davor, dass ihre Werke in neuen Nutzungsarten "zerstört" werden könnten, ohne dass die Urheber dagegen einschreiten könnten. Es gebe nicht nur prominente Regisseure wie Tom Tykwer oder Dieter Wedel, die für ihre Interessen eintreten könnten, sondern auch hunderttausende andere, die versuchten, von ihrer Arbeit zu leben und auf Verträge dringend angewiesen seien. Sie müsse man schützen.
Es sei außerdem ein Irrtum zu glauben, dass das Aushandeln der Vergütung zwischen Kunstschaffenden und Industrie ein Verhandeln auf Augenhöhe sei. Dabei gehe es nicht um Verhandlkungen zwischen zwei gleichstarken Partnern: "Die Urheber haben nur einen verlässlichen Partner: den Gesetzgeber." Komponist Manfred Trojahn wies darauf hin, es gebe zwar heute viele Wege, das Urheberrecht zu schützen - aber eben auch unzählige Möglichkeiten, es zu umgehen. Der Gesetzentwurf gefährde die Existenz vieler Musikurheber. Gerhard Pfennig, Vorstand der VG Bild-Kunst, bemängelte, der Regierungsentwurf begünstige die Inte-ressen der Industrie zu Lasten der Urheber. Die geplante Kopplung von Gerätepreisen und Vergütungshöhe stelle "Fuß- und Handfesseln" dar.
Auch Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste und Plakatkünstler, warf der Regierung einen "Kotau vor der Geräteindustrie" vor. Die Künstler seien die schwächsten Glieder der viel beschworenen Wissensgesellschaft - ihr Jahreseinkommen bewege sich bei durchschnittlich 10.000 Euro. Dass sich unter ihnen die Hartz-IV-Empfänger vermehrten, könne nicht im Interesse einer Regierung sein, die in ihren Koalitionsvertrag geschrieben habe, Kreativität sei das Kapital der Informationsgesellschaft und angetreten sei, das Urheberrecht fortzuentwickeln. Staeck forderte die Justiziministerin dazu auf, dieses Versprechen einzuhalten.
Auch der Moderator der Veranstaltung, der innenpolitische Redakteur der Süddeutschen Zeitung Heribert Prantl, nahm Zypries mehrfach in die Zange, als er wiederholt fragte, wie "betoniert" das Gesetz sei. Änderungen seien durchaus noch möglich, räumte die Ministerin ein und verwies darauf, der Spruch ihres Parteifreundes Peter Struck habe auch hier Berechtigung: Nichts komme so aus dem Bundestag heraus, wie es hineingegangen sei.
Ein Lacher für das Publikum - und ein dringender Wunsch der Kunstschaffenden, für die das Urheberrecht eine Art Arbeitsrecht darstellt. Sie müssen nun der Kreativität der Politik vertrauen.