Die Somalierin Ayaan Hirsi Ali wurde in Deutschland als Drehbuchautorin des holländischen Kurzfilms "Submission" bekannt, dessen Regisseur Theo van Gogh 2004 von einem jungen marokkanischen Islamisten umgebracht wurde. Es war Hirsi Alis erster künstlerischer Versuch. Eigentlich war sie Abgeordnete der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie. Sie verstand sich als "monothematische Politikerin", die ihre "heilige Mission" darin sah, auf die auch in Holland stattfindende brutale Unterdrückung muslimischer Frauen hinzuweisen.
Aus ihrer informativen und packenden Autobiografie geht hervor, dass sie selbst alle Züchtigungen und Erniedrigungen erlebt hatte, die Frauen in Ostafrika widerfahren können. Zwar konnte Ayaan die Schule besuchen, wurde jedoch beschnitten. Als geborene Rebellin wandte sich das junge Mädchen den Islamisten zu. Die neuartigen, von Saudi Arabien finanzierten Moscheen versprachen mehr Gerechtigkeit, auch für Frauen. Zu ihren Angeboten für Jugendliche gehörten auch Formen heimlicher Heirat. Hirsi Alis Hochzeitsnacht mit einem jungen Prediger war enttäuschend. Zum Glück fuhr der Ehemann tags darauf zum Studium ins Ausland. Die ahnungslosen Eltern arrangierten schließlich eine Heirat mit einem wohlhabenden Somalier aus Kanada. Als die 23-Jährige bei Clanmitgliedern in Düsseldorf auf das kanadische Visum wartete, um zu ihrem neuen Ehemann zu reisen, beschloss sie unterzutauchen und in Holland um Asyl zu bitten. Dort hielt sie sich nicht, wie viele andere Migranten, von den Einheimischen fern, stellte ihren Glauben in Frage, ging eine Beziehung mit einem Nichtmuslim ein. Sie studierte, wurde Mitarbeiterin einer sozialdemokratischen Stiftung.
Aufrütteln wollte sie sowohl die Holländer als auch die Migranten, die ihre Chancen nicht ergriffen. Dass Holland gegenüber mangelndem Integrationswillen zu tolerant sei, liegt aus Hirsi Alis Sicht am schlechten Gewissen, weil hier "im Zweiten Weltkrieg ein höherer Anteil an Juden im Verhältnis zur Bevölkerung deportiert" wurde als in jedem anderen westeuropäischem Land. Desaströs wirke sich auch die Gesetzgebung zur Förderung freier Schulen aus. In muslimischen Schulen würden Mädchen oft verschleiert und von den Jungen getrennt unterrichtet. Themen, die nicht der Glaubenslehre entsprechen, würden ausgespart, Kinder entmutigt, Fragen zu stellen und mit Ungläubigen Kontakte zu pflegen. Muslimische Frauen und Kinder würden in Holland systematisch misshandelt, kleine Kinder auf dem Küchentisch beschnitten. "Die Holländer spenden großzügig für internationale Hilfsorganisationen, ignorieren jedoch das stumme Leid der muslimischen Frauen und Kinder vor ihrer eigenen Haustür und unternehmen nichts, um ihnen zu helfen oder ihr Leid zu mildern."
Mit ihrer Forderung, die islamischen Schulen zu schließen, stellte Hirsi Ali das den Holländern teure System der freien Schulen in Frage. Auch mit ihrem Vorschlag, in manchen Fällen die Sozialbezüge zu kürzen, eckte sie bei den Sozialdemokraten an. Weil sie erkannte, dass diese Gruppeninteressen vertreten, während ihr selber der Kampf um die individuellen Freiheiten wichtiger erschien, wechselte sie zur VVD. Als Parlamentarierin strebte sie an, nach dem Vorbild von Amnesty International eine Stelle einzurichten, die Menschenrechtsverletzungen an Frauen registriert und nach ethnischer Zugehörigkeit aufschlüsselt. Solche Statistiken würden "die selbstgefällige Haltung der moralischen Relativisten, die behaupteten, dass alle Kulturen gleich sind, hinwegfegen."
Für ihre Mission suchte sie auch künstlerischen Ausdruck. Sie plante ein Wachsfigurenkabinett, mit dem Koranverse illustriert werden sollten, die die Menschenrechte der Frauen missachten. Ihre Partei suchte bereits nach Stiftungen, um das teure Projekt zu finanzieren. Aber da kam plötzlich Theo van Gogh, der ihre Idee zu einem Film machte. "Theo war ein kühner Mann, ein Krieger" schreibt Hirsi Ali über ihn. Nach 'Submission' kam er sich vor wie ein "Ritter auf seinem Schlachtross". Doch nach seinem Tod musste sie selbst versteckt leben, militärisch geschützt, oft ohne Verbindung zur Außenwelt. Ihrer Partei schien sie zur Last zu werden. Rita Verdonk, die der VVD angehörende Ministerin für Integration und Einwanderung, ließ im vergangenen Frühjahr Hirsi Ali die holländische Staatsbürgerschaft aberkennen, weil sie einst unter falschen Angaben Asyl beantragt hatte. Das wurde zwar zurückgenommen, aber Hirsi Ali entschloss sich doch, künftig in den USA zu leben.
So richtig das Anliegen ist, die europäischen Gesellschaften über die auch hier vorkommenden Menschenrechtsverletzungen an muslimischen Frauen aufzuklären, so zeigt Hirsi Alis Geschichte doch auch, dass Schocktherapien vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Kriegsszenarien nicht zur Entspannung beitragen. Auch gesellschaftlich anerkannte islamische Vereine, die die Freiheit der Kunst, der Kritik und des Wortes in der westlichen Gesellschaft uneingeschränkt anerkennen, können nicht mit Sicherheit verhindern, dass Kunstwerke wie 'Submission' unkontrollierbare Gewaltexzesse auslösen, die dann leicht dem "Islam an sich" angelastet werden.
Ayaan Hirsi Ali: Mein Leben, meine Freiheit. Piper Verlag, München 2006, 496 Seiten, 19,90 Euro.