Das Bedauern über den Rückzug des Parteisprechers Matthias Paul von sämtlichen Ämtern und Funktionen in der sächsischen NPD hielt sich in Grenzen. Nach einer Durchsuchungsaktion des Landeskriminalamtes in den Räumen der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag legte der 29-Jährige vorige Woche auch sein Landtagsmandat nieder. Ihm wird der Besitz kinderpornographischer Schriften und Computerdateien vorgeworfen. Ausgesprochen verhalten reagierten seine Fraktionskollegen auf die für sie äußerst unangenehme Situation. Denn die NPD lässt üblicherweise keine Gelegenheit aus, sich als Law-and-Order-Partei aufzuspielen. Beim Novemberplenum des Landtages hatte sie noch einen Untersuchungsausschuss zum "Fall Stephanie" gefordert, der angebliche Ermittlungspannen und Fehlentscheidungen der sächsischen Justiz aufklären sollte. Nun stellte sie in einer dürren Erklärung fest, als Verfechterin eines effektiven Kinderschutzes auch für Matthias Paul die "härtest mögliche" Bestrafung zu verlangen, sollten die Vorwürfe gegen ihn begründet sein.
Matthias Paul gehörte zu den führenden Köpfen der NPD in Sachsen: Kreisvorsitzender in Meißen, Mitglied im Landesvorstand seit 1995 und Pressesprecher seiner Partei. Ein junger Mann dazu, der mithelfen sollte, nach außen das Image einer modernen nationalkonservativen Partei zu vertreten. Dabei war das Ewiggestrige erst unlängst wieder zum Vorschein gekommen, als der 66 Jahre alte sächsische NPD-Abgeordnete Klaus-Jürgen Menzel am Rande des NPD-Parteitages in Berlin vor laufender Kamera seine Verehrung für Adolf Hitler kundtat. Nicht deshalb wurde er aus der Landtagsfraktion verwiesen und ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet, sondern wegen "finanzieller Unregelmäßigkeiten".
Nach diesen neuerlichen Abgängen ist die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag von einst zwölf auf sieben Mitglieder geschrumpft. Denn vor einem Jahr hatten schon drei Abgeordnete die Fraktion verlassen, weil sie mit dem Führungsstil und der politischen Arbeit der NPD im Landtag nicht einverstanden waren.
Nun offenbart sich das strukturelle Dilemma der Partei. Mit dem letzten Nachrücker ist die Landesliste verbraucht; einen weiteren Abgang kann die Fraktion nicht ersetzen. Zudem entspricht die Qualität des Personals nicht mehr den Zielen von Fraktionschef Holger Apfel, im Schutze demokratischer Institutionen mit gezielten Provokationen und kalkulierter Demagogie die "nationale Erweckungsbewegung" voranzutreiben. Dennoch wäre es verfrüht, über Auflösungserscheinungen der sächsischen NPD-Fraktion zu spekulieren. Aber gäbe es noch zwei Abgänge wäre der Fraktionsstatus verloren. Nur haben die Nationaldemokraten nie ein Hehl daraus gemacht, gerade auf die damit verbundenen finanziellen Mittel für die parlamentarische Arbeit zu spekulieren. Mit den monatlichen Leistungen in Höhe von nunmehr 106.660 Euro aus dem Steuerzahlersäckel lassen sich nicht nur Broschüren drucken und Landtagsreden auf DVD vervielfältigen. Fraglich ist, ob die NPD 2009 erneut in den Sächsischen Landtag gewählt würde. Die Aussichten dafür sind immer noch gut. Momentan hat sie - allerdings vor den Ausschluss- und Rücktrittsturbulenzen - lediglich gut zwei Prozentpunkte in der Wählergunst verloren und würde mit sieben Prozent der Wählerstimmen wieder in den Landtag einziehen. Das ergab eine dimap-Studie im Auftrag der FDP-Landtagsfraktion. Fast 80 Prozent der NPD-Wähler gaben dabei an, ihre Stimme bei der Landtagswahl 2004 den Rechtsextremen gegeben zu haben, weil sie von anderen Parteien enttäuscht waren. Die NPD hatte sich seinerzeit als Kämpfer gegen soziale Ungerechtigkeiten ausgegeben.
Im parlamentarischen Alltag findet sich davon allerdings nicht mehr viel wieder. Ein Blick auf die Homepage der NPD-Fraktion zeigt, was die Rechten selbst als wichtigste Themenfelder ihrer Landtagsarbeit betrachten: Europapolitik, Erinnerung an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg und angebliche geheimdienstliche Verstrickungen ihrer abtrünnigen Abgeordneten. Nur einen Mausklick weiter kann man sich einen Eindruck über die Klientel der NPD verschaffen. Im Kondolenzbuch für den verstorbenen Uwe Leichsenring finden sich Einträge wie dieser: "Du warst ein Krieger des germanischen Reichs, nimm deinen Platz in Walhalla ein und sehe, was aus deinem Volk wird." Seit Jahren warnt der sächsische Verfassungsschutz davor, die rechte Szene zu verharmlosen und auf einen schnellen Niedergang der NPD zu hoffen. Längst ist die Partei mit ihren Kreisverbänden flächendeckend vertreten. Ihr Ziel ist es, auch in den Kommunen verstärkt Fuß zu fassen. Ihre Verbindungen zur dumpfen, gewaltbereiten Szene rechter "Kameradschaften" leugnet sie nicht. Doch die Sympathien für die NPD sind längst nicht auf Skinheads und Reichsfahnenträger beschränkt. Polemische Äußerungen von NPD-Rednern gegen den Rechtsstaat sind erst jüngst im Landtag von der Besuchertribüne aus mit Beifall bedacht worden. Immer noch fällt es dem Landtagspräsidium schwer, auf gezielte Provokationen rechter Redner schnell und entschlossen zu reagieren; immer noch lassen sich Abgeordnete der anderen Landtagsfraktionen zu emotionalen Zwischenrufen hinreißen, wenn durch geschickte Suggestion zwar deutlich wird, wes Geistes Kind die NPD ist, aber eben nicht ausdrücklich Nazi-Propaganda betrieben wird.
Klaus-Jürgen Menzel, der als NPD-Mitglied nie für seine Fraktion im Landtag reden durfte, nahm seine Chance als nunmehr unabhängiger Abgeordneter sofort wahr. Als er den aus Österreich stammenden Vorsitzenden der PDS-Fraktion mit den Worten bedachte "Da ist mir der andere Österreicher schon lieber", hätte die Linksfraktion ihn gern sofort von der Landtagssitzung ausgeschlossen. Das geschah aber erst, als man bei ihm Patronenhülsen fand, mit denen er demonstrieren wollte, welche Antwort er auf Sexualstraftäter parat hat. Solche Erfahrungen lassen auch aus den Reihen des Sächsischen Landtags Forderungen nach einem Verbot der NPD laut werden. Peter Porsch (PDS) meint, dass sich die Verfassungsfeindlichkeit der Partei längst hinreichend durch Äußerungen im Sächsischen Landtag belegen lasse. Doch die Gegenargumente liegen auf der Hand. Die Extremisten seien auf diese Weise nicht zu stoppen, meinen die Bündnisgrünen, weil sie dann von der NPD in andere rechte Parteien wechselten. Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) lehnt zwar ein Verbotsverfahren grundsätzlich nicht ab, "damit sich die NPD nicht in Sicherheit wiegen kann". Aber er will auch keine Märtyrer schaffen und hält momentan den Zeitpunkt für einen Verbotsantrag aufgrund der Wahlerfolge der NPD für ungünstig.