So nah an Kabinettsbeschlüssen ist der Bundestag mit seinen Debatten selten: Kaum 14 Stunden, nachdem die Bundesregierung die schrittweise Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre beschlossen hatte, musste sich Bundessozialminister Franz Müntefering (SPD) am Morgen des 30. Novembers auch schon der Diskussion im Hohen Haus stellen. Allerdings lag den Abgeordneten noch kein Gesetzentwurf der Regierung vor, vielmehr war der eigentliche Aufhänger der Plenardebatte der Antrag der Linksfraktion "Nein zur Rente mit 67". Darin wird der Umbau der gesetzlichen Rentenversicherung in eine "solidarische Erwerbstätigenversicherung" verlangt, in die auch Selbstständige, Abgeordnete und langfristig auch Beamte einbezogen werden sollen.
Nach den Plänen der Koalition wird das Renteneintrittsalter von derzeit 65 Jahren ab 2012 zunächst in Ein-Monats-Schritten und ab 2024 in Zwei-Monats-Schritten angehoben. Im Jahr 2029 soll es dann bei 67 Jahren liegen. Das würde bedeuten, dass die Jahrgänge ab 1964 regulär bis 67 Jahre arbeiten müssen. Wer früher in Rente geht, muss Einbußen bei seinen Alterseinkünften in Kauf nehmen. Wer 45 Jahre lang Beiträge eingezahlt hat, soll aber weiterhin mit 65 Jahren abschlagsfrei in den Ruhestand gehen können. Unterdessen kündigte ein Sprecher des Bundessozialministeriums an, die Anhebung des Rentenalters solle auch auf die Beamten übertragen werden.
Müntefering verteidigte die Rente mit 67 als unumgänglich. Die Alterssicherung in Deutschland sei vorbildlich. Damit dies so bleibe, müsse man jetzt handeln. "Verantwortliche Politik ist kein Wunschkonzert", sagte der Vizekanzler. Die von der Regierung geplanten Maßnahmen würden helfen, das Rentensystem stabil zu halten. Der SPD-Politiker betonte zugleich, die Regierung setze sich dafür ein, die Jobchancen Älterer zu verbessern. Das Bundeskabinett hat dazu die "Initiative 50plus" verabschiedet, die unter anderem Eingliederungszuschüsse für Firmen, Kombilöhne für ältere Arbeitnehmer und einen Ausbau der Weiterbildung für Ältere vorsieht. Auch bei der Altersteilzeit soll es Änderungen geben. Für Beschäftigte, die bis 31. Dezember eine Vereinbarung über Teilzeit abschließen, gilt noch das Rentenalter 65. Als Stichtag war zunächst der 29. November im Gespräch.
Für die Union erinnerte Wolfgang Meckelburg da-ran, dass die Rentenbezugsdauer von 1960 bis heute um 70 Prozent gestiegen sei. "Damals waren es zehn Jahre, heute sind es 17 Jahre. Wir erwarten, dass die Lebenserwartung bei Männern bis zum Jahr 2030 um 2,3 Jahre und bei Frauen um 2,8 Jahre ansteigt", sagte Meckelburg. Die Rente mit 67 ermögliche es, die Verlängerung der Lebenserwartung und der Rentenbezugsdauer von etwas über zwei Jahren zu finanzieren.
Nach Ansicht des Rentenexperten der Linksfraktion, Volker Schneider, bedeutet die Rente mit 67 dagegen Kürzungen für Ältere und zusätzliche Arbeitslosigkeit für Jüngere. Sie stelle "den untauglichen Versuch" dar, "soziale Härten zu mindern, indem man neue Ungerechtigkeiten schafft". Dagegen unterstützte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Rente mit 67 im Grundsatz. Ihre Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk sagte, die Anhebung des Rentenalters sei ein Weg, um die steigenden Kosten durch die älter werdende Gesellschaft aufzufangen. Der FDP-Sozialexperte Heinrich Kolb warnte hingegen davor, die Finanzwirkung des Rentenplans zu überschätzen. Die Liberalen seien gegen eine "starre" Erhöhung des Renteneintrittsalters, sondern setzten sich für flexible Lösungen ein. Vorschläge dazu würde seine Partei in den nächs-ten Wochen vorlegen.
Bereits in der nächsten Sitzungswoche Mitte Dezember wird die Rente mit 67 erneut den Bundestag beschäftigen, wenn der Gesetzentwurf von Schwarz-Rot vorliegt. Bis Ostern 2007 soll das Gesetz nach dem Willen der Koalition beschlossen sein.