Ärzte, Apotheker und Kliniken machen weiter Front gegen die geplante Gesundheitsreform. Bei einem Aktionstag am 4. Dezember demons- trierten bundesweit mehrere 10.000 Angehörige medizinischer Berufsgruppen unter dem Motto "Patient in Not - diese Reform schadet allen" gegen das Vorhaben der großen Koalition. Ihr Ziel: Die Reform muss weg, Honorare und Vergütungen sollen steigen. Nach Angaben der Bundesärztekammer beteiligten sich an dem Aktionstag rund 40 Organisationen und Verbände. Annähernd ein Drittel der Arztpraxen und zahlreiche Apotheken blieben geschlossen, viele Krankenhäuser boten nur eine Notversorgung an. In den nächs ten Wochen soll der Protest fortgesetzt werden. Der Gesetzentwurf ( 16/3100 ) wird derzeit in den parlamentarischen Gremien beraten.
Das Bild, das die Protestierenden zeichnen, ist dramatisch: Abbau der wohnortnahen Versorgung, längere Wartezeiten sowie Zunahme der Rationierung von Gesundheitsleistungen seien die Folge, falls die Reform wie geplant zum 1. April 2007 in Kraft tritt. Das "Wettbewerbsstärkungsgesetz" zeichne den Weg vor in einen "staatlichen Gesundheitsdienst". Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, warnte, die Reform zerstöre bewährte Strukturen. "Die Patienten sind die Verlierer der Reform", unterstrich er.
Problematisch sei auch, dass die Budgetierung medizinischer Leistungen anders als versprochen nicht abgeschafft werde. Im Gesetzentwurf ist ein Wechsel vom bisherigen Punktesystem hin zu festen Preisen in Euro und Cent vorgesehen. Die Ärzte sind damit unzufrieden. An die Stelle "gedeckelter Punkte" träten lediglich "gedeckelte Euro", bemängelte etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und sprach von Etikettenschwindel. In Hannover rief der Vizepräsident der niedersächsischen Ärztekammer, Gisbert Vogt, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich "von Ullas Fesseln" zu befreien. "Beenden Sie endlich diesen Unsinn", rief er vor rund 2.000 Demonstranten.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte den geplanten Sparbeitrag der Kliniken in Höhe von rund 500 Millionen Euro. Ihr Präsident Rudolf Kösters sagte, die Krankenhäuser würden mit dem Rasenmäher kaputt gespart. Er bezeichnete den Sparbeitrag als verfassungswidrig und kündigte Klage an. Aus der Union gibt es inzwischen Signale, die Vorgabe für die Krankenhäuser noch einmal zu prüfen. Gegen den Sparbeitrag lehnen sich auch einige Länder auf, so das CDU-geführte Nordrhein-Westfalen.
Der KBV-Chef Andreas Köhler schloss einen Boykott der Reform durch die Ärzteschaft nicht aus. "Man kann ein Gesetz nur dann umsetzen, wenn es umsetzbar ist", betonte Köhler. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, fügte hinzu: "Wer glaubt, er werde mit Verabschiedung des Gesetzes Ruhe im Karton haben, irrt sich."
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wies die Kritik als "Funktionärsgerede" zurück. Sie warf den Lobbygruppen vor, kranke Menschen für ihre Einzelinteressen "in Geiselhaft" zu nehmen. Unterstützung erhielt sie in diesem Punkt vom Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte. Der Aktionstag richte sich in Wahrheit nicht gegen patientenfeindliche Aspekte der Reform. Vielmehr gehe es den Verbänden um die Einkommen aus der Behandlung von Privatpatienten.
Schmidt hob hervor, eigene Sparvorschläge oder Ideen für eine bessere Versorgung der Patienten kämen von den Lobbyverbänden nicht. Vielmehr gehe es den Protestierenden ausschließlich um "mehr Geld". Schmidts Sprecher Klaus Vater kündigte an, das Minis- terium werde "mit Argusaugen" darüber wachen, dass die Reform umgesetzt werde. Den Kassenärzten stehe kein Recht zum Boykott zu.
Die Autorin ist Redakteurin der Zeitung "Das Parlament".