Eine grobe Klassifizierung unterscheidet innerhalb der Industrieländer drei Grundtypen von Gesundheitssystemen: Die über Beiträge finanzierten so genannten "Bismarck-Systeme", die über Steuern finanzierte "Beveridge-Systeme" sowie die Markt-Modelle.
Beim deutschen Bismarck-Modell wird das Gesundheitswesen allein über durch Beiträge aus den Arbeitseinkommen der Bevölkerung finanziert. Kernmerkmal für ein solches System ist eine gesetzliche Pflichtversicherung, die die Kosten der medizinischen Versorgung übernimmt und soziale Risiken durch Krankheit auffängt.
Die "Bismarck-Systeme" Mitteleuropas beruhen auf dem Prinzip der Selbstverwaltung: Ärzte sind in Ärztekammern und Kassen-Vereinigungen organisiert. Die Krankenkassen sind für die Finanzierung zuständig und erheben Versicherungsbeiträge. Damit sind sie in gewisser Weise unabhängig vom Staatshaushalt und seinen Verteilungskämpfen. Zwischen den Kassen und den Vereinigungen der Ärzteschaft und den Krankenhäusern sollen Leistungen und Preise ausgehandelt werden, freilich nicht mehr ganz ohne staatliche Einmischung, die angesichts des Scheiterns der Kostendämpfungspolitik fortwährend zunimmt. Selbstverwaltung bedeutet auch Medizin in eigener Verantwortung. Der Arzt soll die Möglichkeit haben, alles medizinisch Notwendige für den Patienten zu tun. Dabei soll er sich in erster Linie am Stand der wissenschaftlichen Entwicklung orientieren - und nicht an wirtschaftlichen Interessen. Kennzeichnend für dieses System ist das "Sachleistungsprinzip": Der kranke Bürger lässt sich behandeln, bekommt aber keine Rechnung. Arzt und Klinik werden über die Kassen bezahlt. Ein solches System ist allerdings teuer. Vor allem werden ihm fehlende Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten angelastet. Zwar wurde durch Selbstbeteiligungen der Patienten an den Kosten der Behandlung und an Medikamenten sowie durch "Budgetierung" für Ärzte und Krankenhäuser versucht, den Anstieg der Kosten zu stoppen - bislang allerdings weitgehend ohne Erfolg. Dieses Modell wird inzwischen daher von vielen Experten als problematisch angesehen. Eine Studie der Hessen Agentur im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kam erst kürzlich zu dem Schluss, dass beitragsfinanzierte Gesundheitssysteme europaweit "unter erheblichen wirtschaftspolitischen Legitimationsdruck" gerieten. Gerade Staaten wie Deutschland, mit "angespannten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen" seien in hohem Maße betroffen. Weil die Beiträge sich direkt auf die Arbeitskosten auswirkten, schwäche das System sogar die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
In Europa kommt das Bismarcksche Modell deshalb offenbar zunehmend aus der Mode: Neben Deutschland setzen nur noch Frankreich und Holland auf das beitragsfinanzierte System, Belgien und Luxemburg praktizieren es überwiegend. In den meisten westlichen EU-Ländern hat sich das steuerfinanzierte Modell durchgesetzt: In Großbritannien, Dänemark und Schweden wird das Gesundheitssystem vollständig aus Steuermitteln bezahlt. In Griechenland, Italien und Spanien gibt es Mischformen.
Das steuerfinanzierte Modell hat seine Wurzeln im so genannten"Beveridge-Modell" - benannt nach dem britischen Ökonomen Sir William Beveridge, der 1942 einen Plan für die Schaffung eines nationalen Gesundheitsdienstes vorlegte. Er sollte vom Staat über Steuern finanziert und betrieben werden. Erst einige Jahre nach Ende des Krieges, im Jahr 1948, konnte dieses Vorhaben jedoch umgesetzt werden - bis heute ist dieses Modell Vorbild für das britische Gesundheitswesen und der Prototyp für eine staatliche Gesundheitsversorgung: Mit dem Nationalen Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) wurde eine Einheitskasse gegründet, dessen Inanspruchnahme größtenteils kostenlos ist. Ärzte und Apotheker werden außerdem von Arbeitgebern der öffentlichen Hand beschäftigt. Irland, die skandinavischen Länder sowie Spanien und Portugal nahmen sich daran ein Beispiel und führten später ähnliche Gesundheitssysteme ein. Allerdings gibt es hinsichtlich der Rolle des Staates - auch gegenüber Kommunen und Regionen - in allen Ländern starke Unterschiede. Die Finanzierung dieser Gesundheitssysteme steht allerdings jeweils in Konkurrenz zu den Budgetanforderungen anderer politischer Bereiche. Deshalb sind sie zwar oft billiger, aber nicht zwangsläufig effektiver. Typisch sind vielmehr eine hohe Bürokratie, lange Wartezeiten und verzögerte Behandlungen sowie Gesundheitstourismus und eine ausgeprägte "Zwei-Klassen-Medizin". Besonders das britische Gesundheitssystem leidet seit langem unter einer chronischen Unterfinanzierung, die Ursache für einen eher traurigen Rekord ist: Im Königreich gibt es die längsten Wartelisten in Westeuropa.
Zu erwähnen sind schließlich noch die Marktmodelle, in denen dem Wettbewerbsprinzip und der Selbstverwaltung eine große Rolle zukommen. Ein typischer Vertreter hierfür sind die USA. Allerdings muss man einschränken: Es gibt keine "reinen" Marktmodelle für Gesundheit. Tatsächlich wird das marktliberale Modell der so genannten "Market-driven-Healthcare", wo Angebot, Nachfrage und Kaufkraft darüber bestimmen, wer wie behandelt wird, selbst in den USA nicht voll umgesetzt. Auch hier gibt es viele Wettbewerbshindernisse durch staatliche Vorgaben.
Letztlich muss man feststellen, dass ein Vergleich und eine qualitative Bewertung dieser verschiedenen Systeme fast unmöglich ist. Ein Indiz könnte die Lebenserwartung sein - doch auch da gibt es widersprüchliche Aussagen: Griechenland gibt etwa innerhalb der EU mit am wenigsten für die Gesundheit aus, und doch leben die Menschen hier am längsten. Ein anderer Punkt, den die Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 2000 definierte, ist die Patientenfreundlichkeit. Dabei werden Faktoren wie Wartezeiten der Patienten und Qualität der Versorgung ermittelt. Außerdem ein wichtiges Kriterium der WHO: die Kosten für den Bürger. Denn er soll nur so viel zahlen, wie er sich auch leisten kann und nicht etwa das, was die medizinische Leistung kostet.
Die Probleme sind überall die gleichen: Wie kann man die steigenden Kosten im Gesundheitswesen in Zukunft bewältigen, wie kann der medizinische Fortschritt finanziert und wie der demografische Wandel berücksichtigt werden.
Bis jetzt hat kein Land darauf eine befriedigende Lösung gefunden. Allgemeine Prinzipien wie "mehr Markt" oder "weniger Staat" scheinen insgesamt eher ungeeignet zur Gestaltung zukunftsfähiger Gesundheitssystem. Wenn ein System allein die Finanzierungsprobleme nicht lösen kann, könnte vielleicht eine Kombination aus allen dreien den Weg für wirkungsvolle Reformen zu ebnen.
Mitarbeit: Johanna Metz
Der Autor ist Professor für Public Health an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) in Hamburg.